Richard Strauss Ariadne auf Naxos - Oper Lyrics
ARIADNE AUF NAXOS
OPER
Ouverture
Ariadne vor der Höhle auf dem Boden, regungslos. Najade links, Dryade rechts. Echo rückwärts an der Wand der Grotte.
NAJADE
Schläft sie?
DRYADE
Schläft sie?
NAJADE
Nein! sie weinet!
DRYADE
Weint im Schlafe. Horch! sie stöhnet.
NAJADE
Sie weinet!
DRYADE
Weinet im Schlaf.
NAJADE und DRYADE
Ach! so sind wir sie gewöhnt.
NAJADE
Tag um Tag in starrer Trauer.
DRYADE
Ewig neue bittre Klagen -
NAJADE
Neuen Krampf und Fieberschauer,
Ewig neue bittre Klagen
Unversöhnt.
DRYADE
Wundes Herz auf ewig, ewig -
Unversöhnt
ECHO
Ewig, ewig, unversöhnt.
NAJADE, ECHO, DRYADE
Ach, wir sind es eingewöhnet.
Wie der Wellen sanftes Gaukeln,
Wie der Blätter leichtes Schaukeln
Gleitet's über uns dahin. -
Ihre Tränen, ihre Klagen,
Ach, seit wieviel Tagen,
Sie beschweren kaum den Sinn!
Ach!
Wie der Wellen sanftes Gaukeln, etc.
ARIADNE
Ach!
ECHO
Ach!
ARIADNE
Wo war ich? Tot? Und lebe, lebe wieder
Und lebe noch?
Und ist ja doch kein Leben, das ich lebe!
Zerstückelt Herz, willst ewig weiter schlagen?
Was hab ich denn geträumt? Weh! schon vergessen!
Mein Kopf behält nichts mehr.
Nur Schatten streichen
Durch einen Schatten hin.
Und dennoch, etwas zuckt dann auf und tut so weh!
Ach!
ECHO
Ach!
HARLEKIN
Wie jung und schön und maßlos traurig!
ZERBINETTA
Von vorne wie ein Kind, doch unterm Aug wie dunkel!
HARLEKIN und TRUFFALDIN
Und schwer, sehr schwer zu trösten, fürchte ich!
ARIADNE
Ein Schönes war: hieß Theseus - Ariadne
Und ging im Licht und freute sich des Lebens.
Warum weiß ich davon? ich will vergessen!
Dies muß ich nur noch finden: es ist Schmach,
Zerrüttet sein wie ich!
Man muß sich schütteln: ja, dies muß ich noch finden:
Das Mädchen, das ich war!
Jetzt hab ich's Götter! daß ich's nur behalte!
Den Namen nicht - der Name ist verwachsen
Mit einem anderen Namen, ein Ding, wächst
So leicht ins andere, weh!
NAJADE, DRYADE, ECHO
Ariadne!
ARIADNE
Nicht noch einmal! Sie lebt hier ganz allein.
Sie atmet leicht, sie geht so leicht,
Kein Halm bewegt sich, wo sie geht,
Ihr Schlaf ist rein, ihr Sinn ist klar,
Ihr Herz ist lauter wie ein Quell:
Sie hält sich gut, drum kommt auch bald der Tag,
Da darf sie sich in ihren Mantel wickeln,
Darf ihr Gesicht mit einem Tuch bedecken
Und darf drinnen liegen
Und eine Tote sein!
HARLEKIN
Ich fürchte, großer Schmerz hat ihren Sinn verwirrt.
ZERBINETTA
Versucht es mit Musik.
SCARAMUCCIO und TRUFFALDIN
Ganz sicher, sie ist toll.
ARIADNE
(ohne den Kopf zu wenden, vor sich; als hätte sie die letzten Worte in ihren Traum hinein gehört)
Toll, aber weise, ja! Ich weiß, was gut ist,
Wenn man es fernhält von dem armen Herzen.
ZERBINETTA
Ach, so versuchet doch ein kleines Lied.
HARLEKIN
Lieben, Hassen Hoffen, Zagen,
Alle l___ und alle Qual,
Alles kann ein Herz ertragen
Einmal um das andre Mal.
(Echo wiederholt seelenlos, wie ein Vogel, ohne Text)
Aber weder l___ noch Schmerzen,
Abgestorben auch der Pein,
Das ist tödlich deinem Herzen,
Und so mußt du mir nicht sein!
Mußt dich aus dem Dunkel heben,
Wär es auch um neue Qual!
Leben mußt du, liebes Leben,
Leben noch dies eine Mal.
(Echo wie vorhin, Ariadne, unbewegt, träumt vor sich hin)
ZERBINETTA
Sie hebt auch nicht einmal den Kopf.
HARLEKIN
Es ist alles vergebens.
Ich fühlte es während des Singens.
ZERBINETTA
Du bist ja ganz aus der Fassung.
HARLEKIN
Nie hat ein menschliches Wesen mich so gerührt.
ZERBINETTA
So geht es dir mit jeder Frau.
HARLEKIN
Und dir vielleicht nicht mit jedem Mann?
ARIADNE
Es gibt ein Reich, wo alles rein ist:
Es hat auch einen Namen: Totenreich.
Hier ist nichts rein!
Hier kam alles zu allem!
Bald aber naht ein Bote,
Hermes heißen sie ihn.
Mit seinem Stab
Regiert er die Seelen:
Wie leichte Vögel,
Wie welke Blätter
Treibt er sie hin.
Du schöner, stiller Gott! sieh! Ariadne wartet!
Ach, von allen wilden Schmerzen
Muß das Herz gereinigt sein.
Dann wird dein Gesicht mir nicken,
Wird dein Schritt vor meiner Höhle,
Dunkel wird auf meinen Augen,
Deine Hand auf meinem Herzen sein;
In den schönen Feierkleidern,
Die mir meine Mutter gab,
Diese Glieder werden bleiben,
Stille Höhle wird mein Grab.
Aber lautlos meine Seele
Folget ihrem neuen Herrn,
Wie ein leichtes Blatt im Winde,
Folgt hinunter, folgt so gern.
Dunkel wird auf meinen Augen
Und auf meinem Herzen sein,
Diese Glieder werden bleiben
Schön geschmückt und ganz allein.
Du wirst mich befreien,
Mir selber mich geben,
Dies lastende Leben,
Du nimm es von mir.
An dich wird ich mich ganz verlieren,
Bei dir wird Ariadne sein.
(Sie steht wie entrückt, Echo, Najade, Dryade sind während Ariadnes Monolog verschwunden. Harlekin, Brighella, Scaramuccio, Truffaldin, hinter ihnen Zerbinetta, kommen vorne auf die Bühne, schicken sich an, Ariadne durch einen Tanz zu erheitern. Zerbinetta bleibt seitwärts in der Kulisse)
BRIGHELLA, SCARAMUCCIO, HARLEKIN, TRUFFALDIN
Die Dame gibt mit trübem Sinn
Sich allzusehr der Trauer hin.
Was immer Böses widerfuhr,
Die Zeit geht hin und tilgt die Spur.
Wir wissen zu achten
Der Liebe Leiden,
Doch trübes Schmachten,
Das wollen wir meiden.
Sie aufzuheitern,
Naht sich bescheiden,
Mit den Begleitern
Dies hübsche Kind.
(Sie tanzen)
Es gilt, ob Tanzen,
Ob Singen tauge,
Von Tränen zu trocknen
Ein schönes Auge.
Es trocknet Tränen
Die schmeichelnde Sonne
Es trocknet Tränen
Der lose Wind.
ZERBINETTA
Wie sie sich schwingen,
Tanzen und singen,
Gefiele der eine
Oder der andere
Gefiele mir schon.
BRIGHELLA, ZERBINETTA, SCARAMUCCIO, HARLEKIN, TRUFFALDIN
Es gilt ob Tanzen, etc.
ZERBINETTA
Wie sie sich schwingen, etc.
SCARAMUCCIO, HARLEKIN, TRUFFALDIN
Die Dame gibt mit trübem Sinn
Sich allzusehr dem k__mer hin.
BRIGHELLA, SCARAMUCCIO, HARLEKIN, TRUFFALDIN
Es gilt, ob Tanzen, etc.
ZERBINETTA
Wie sie sich schwingen, etc.
Doch die Prinzessin
Verschließt ihre Augen
Sie mag nicht die Weise
Sie liebt nicht den Ton
Geht doch, laßt's doch. Ihr fallet zur Last!
BRIGHELLA, SCARAMUCCIO, HARLEKIN, TRUFFALDIN
Es gilt, ob Tanzen,
Ob Singen tauge.
Sie aufzuheitern,
Befahl den Begleitern
O traurige Dame,
Dies hübsche Kind.
ZERBINETTA
Geht doch, ihr fallet zur Last.
BRIGHELLA
Doch wie wir tanzen,
Doch wie wir singen,
Was wir auch bringen,
Wir haben kein Glück.
SCARAMUCCIO, HARLEKIN, TRUFFALDIN
Es gilt, ob Tanzen, etc.
ZERBINETTA
Drum laßt das Tanzen,
Laßt das Singen,
Zieht euch zurück.
SCARAMUCCIO, HARLEKIN, TRUFFALDIN
Doch wie wir tanzen, etc.
TRUFFALDIN
Es gilt, ob Tanzen, etc.
Doch wie wir tanzen, etc.
(Zerbinetta schafft sie weg. Die vier ab)
Recitativ und Arie
ZERBINETTA
(mit einer tiefen Verbeugung vor Ariadne)
Großmächtige Prinzessin, wer verstünde nicht,
Daß so erlauchter und erhabener Personen Traurigkeit
Mit einem anderen Maß gemessen werden muß
Als der gemeinen Sterblichen. - Jedoch
Sind wir nicht Frauen unter uns, und schlägt denn nicht
In jeder Brust ein unbegreiflich, ein unbegreiflich Herz?
Von unsrer Schwachheit sprechen,
Sie uns selber eingestehn,
Ist es nicht schmerzlich süß?
Und zuckt uns nicht der Sinn danach?
Sie wollen mich nicht hören -
Schön und stolz und regungslos,
Als wären Sie die Statue auf Ihrer eignen Gruft.
Sie wollen keine andere Vertraute
Als diesen Fels und diese Wellen haben?
(Ariadne tritt an den Eingang der Höhle zurück)
Prinzessin, hören Sie mich an - nicht Sie allein,
Wir alle - ach, wir alle - was Ihr Herz erstarrt -
Wer ist die Frau, die es nicht durchgelitten hätte?
Verlassen! in Verzweiflung! ausgesetzt!
Ach, solcher wüsten Inseln sind unzählige
Auch mitten unter Menschen, ich, ich selber,
Ich habe ihrer mehrere bewohnt -
Und habe nicht gelernt, die Männer zu verfluchen
(Ariadne tritt vollends in die Höhle zurück)
Treulos - sie sind's!
Ungeheuer, ohne Grenzen!
Eine kurze Nacht,
Ein hastiger Tag,
Ein Wehen der Luft,
Ein fließender Blick
Verwandelt ihr Herz!
Aber sind wir denn gefeit
Gehen die grausamen, entzückenden,
Die unbegreiflichen Verwandlungen?
Noch glaub ich dem einen ganz mich gehörend,
Noch mein ich mir selber so sicher zu sein,
Da mischt sich im Herzen leise betörend
Schon einer nie gekosteten Freiheit,
Schon einer neuen verstohlenen Liebe
Schweifendes, freches Gefühle sich ein!
Noch bin ich wahr, und doch ist es gelogen,
Ich halte mich treu und bin schon schlecht,
Mit falschen Gewichten wird alles gewogen -
Und halb mich wissend und halb im Taumel
Betrüg ich ihn endlich und lieb ihn noch recht!
Noch mein ich mir selber so sicher zu sein,
Da mischt sich im Herzen leise betörend
Schon einer neuen verstohlenen Liebe...
So war es mit Pagliazzo
Und Mezzetin!
Dann war es Cavicchio,
Dann Burattin,
Dann Pasquariello!
Ach, und zuweilen,
Will es mir scheinen,
Waren es zwei!
Doch niemals Launen,
Immer ein Müssen!
Immer ein neues
Beklommenes Staunen:
Daß ein Herz sogar sich selber nicht versteht,
Gar sich selber nicht versteht
Als ein Gott kam jeder gegangen,
Und sein Schritt schon macht mich stumm,
Küßte er mir Stirn und w___en,
War ich von dem Gott gefangen
Und gewandelt um und um.
Als ein Gott kam jeder gegangen,
Jeder wandelte mich um,
Küßte er mir Mund und w___en,
Hingegeben war ich stumm.
Als ein Gott kam jeder gegangen,
Jeder wandelte mich um,
Küßte er mir Stirn und w___en,
War ich von dem Gott gefangen
Hingegeben war ich stumm,
Hingegeben ah!
Kam der neue Gott gegangen,
Hingegeben war ich stumm, stumm....
HARLEKIN
Hübsch gepredigt! Aber taube Ohren!
ZERBINETTA
Ja, es scheint die Dame und ich sprechen verschiedene Sprachen.
HARLEKIN
Es scheint so.
ZERBINETTA
Es ist die Frage, ob sie schließlich lernt, sich in der meinigen auszudrücken,
HARLEKIN
Wir wollen's abwarten. Was wir aber nicht abwarten wollen...
(Er ist mit einem Sprung dicht bei ihr)
ZERBINETTA
Wofür hältst du mich?
HARLEKIN
Für ein entzückendes Mädchen, dessen Beziehungen zu mir dringend einer Belebung bedürfen -
(Versucht sie zu umarmen; sie macht sich los)
ZERBINETTA
Unverschämter! und außerdem: hier!
Zwei Schritte von der Wohnung der Prinzessin!
HARLEKIN
Pah! Wohnung, es ist eine Höhle.
ZERBINETTA
Was ändert das?
HARLEKIN
Sehr viel, sie hat kein Fenster.
(Versucht abermals, sie zu küssen)
ZERBINETTA
(macht sich energisch los)
Ich glaube, du wärest wirklich fähig -
HARLEKIN
Zweifle nicht, zu allem!
ZERBINETTA
Zu denken, daß es Frauen gibt, denen er eben darum gefiele.
HARLEKIN
Und zu denken, daß du von oben bis unten eine solche Frau bist!
BRIGHELLA, SCARAMUCCIO, TRUFFALDIN
Pst! Pst! Zerbinetta!
ZERBINETTA
Männer! Lieber Gott, wenn du wirklich wolltest, daß wir ihnen widerstehen sollten, warum hast du sie so verschieden geschaffen?
BRIGHELLA, SCARAMUCCIO, HARLEKIN, TRUFFALDIN
Eine Störrische zu trösten,
Laßt das peinliche Geschäft!
Will sie sich nicht trösten lassen,
Laßt sie weinen, sie hat recht!
BRIGHELLA
Doch ich bin störrisch nicht,
Gibst du ein gut Gesicht.
Ach, ich verlange nicht mehr,
Freu mich so sehr.
SCARAMUCCIO
Auf dieser Insel
Gibt's hübsche Plätze.
Komm, laß dich führen,
Ich weiß Bescheid!
TRUFFALDIN
Wär nur ein Wagen
Ein Pferdchen nur mein,
Hätt ich die Kleine
Bald wo allein!
HARLEKIN
Wie sie vergeudet
Augen und Hände
Laur ich im Stillen
Hier auf das Ende!
ZERBINETTA
Immer ein Müssen,
Niemals Launen,
Immer ein neues
Unsägliches Staunen!
BRIGHELLA
Ich bin nicht störrisch.
HARLEKIN
Ich laure im Stillen.
SCARAMUCCIO
Hätt ich das Mädchen -
TRUFFALDIN
Ich wüßte Bescheid!
ZERBINETTA
So war es mit Pasquariello
Und Mezzetin!
Dann war es Cavicchio,
Und Burattin!
Niemals Launen,
Immer ein Müssen,
Und ach, zuweilen
Waren es zwei!
HARLEKIN
Wie sie vergeudet
Augen und Hände
Laur ich im Stillen
Hier auf das Ende!
BRIGHELLA, SCARAMUCCIO, TRUFFALDIN
Hätt ich das Mädchen,
Ich wüßte Bescheid.
(Unterm Tanzen scheint Zerbinetta einen Schuh zu verlieren. Scaramuccio erfaßt den Schuh und küßt ihn. Sie läßt sich ihn von ihm anziehen, wobei sie sich auf Truffaldin stützt, der ihr von der anderen Seite zu Füßen gefallen ist.)
ZERBINETTA
Wie er feurig sich erniedert!
Mach ich ihn auf diese neidig,
Wird der steife wie geschmeidig,
Wird der steife Bursch sich drehn!
BRIGHELLA
Macht sie mich auf diese neidig,
Ach wie will ich mich geschmeidig
Um die hübsche Puppe drehn!
SCARAMUCCIO
Macht sie uns auf diesen neidig,
Hei, wie alle sich geschmeidig,
Hui, um ihre Gunst sich drehn!
TRUFFALDIN
Wie sie jeden sich geschmeidig,
Einen auf den anderen neidig,
Ohne Pause weiß zu drehn!
(Während sich die drei drehen, wirft sich Zerbinetta Harlekin in die Arme und eilt mit ihm zu verschwinden)
TRUFFALDIN
Mir die Hand, das war das Zeichen!
Schlau aus dem Kreise muß ich mich schleichen!
SCARAMUCCIO
Mir der Schuh, das war das Zeichen!
Mich erwartet das himmlische Wesen,
Mich zum Freunde hat sie erlesen!
BRIGHELLA
Mir der Blick, das was das Zeichen!
Mich erwartet das himmlische Wesen,
Mich zum Freunde hat sie erlesen!
(Alle drei schleichen in die Kulisse, gleich darauf erscheint zuerst Scaramuccio vor der Bühne, verlarvt)
SCARAMUCCIO
Pst, wo ist sie? Wo mag sie sein?
(Späht herum, geht um die Bühne herum)
Pst, wo ist sie? Wo mag sie sein?
BRIGHELLA
(verlarvt, von links kommend)
Pst, wo ist sie? Wo mag sie sein?
(Wendet sich nach rechts, stößt dort mit dem zurückkommenden Scaramuccio zusammen)
TRUFFALDIN
(verlarvt, von links, an der Ecke in eben dem Augenblick hervorkommend, als Brighella nach rechts den ersten Schritt tut)
Pst, wo ist sie? Wo mag sie sein?
(Stößt mit den beiden Zusammenstoßenden auch noch zusammen; alle drei taumeln in die Mitte)
BRIGHELLA, SCARAMUCCIO, TRUFFALDIN
Verdammter Zufall!
Aber man erkennt mich nicht!
ZERBINETTA
(unsichtbar)
Daß ein Herz so gar sich selber nicht versteht,
Gar sich selber nicht versteht!
HARLEKIN
(unsichtbar)
Ach, wie reizend, fein gegliedert!
BRIGHELLA, SCARAMUCCIO, TRUFFALDIN
Ai, ai, ai, ai!
ZERBINETTA und HARLEKIN
Hand und Lippe, Mund und Hand!
Welch ein zuckend Zauberband!
BRIGHELLA, SCARAMUCCIO, TRUFFALDIN
Ai, ai, ai, ai, Dieb! Der Dieb!
Der nieder-, niederträchtige Dieb!
Ai, ai, ai, ai!
ZERBINETTA
Sieh, wie reizend fein gegliedert,
Druck den Druck erwidert,
Hand und Lippe, Mund und Hand,
Welch ein zuckend Zauberband!
HARLEKIN
Ach, wie reizend fein gegliedert, etc.
(Ab. Najade, Dryade, Echo treten, fast zugleich, hastig auf von rechts, links und rückwärts)
DRYADE
Ein schönes Wunder!
NAJADE
Ein reizender Knabe!
DRYADE
Ein junger Gott!
ECHO
Ein junger Gott, ein junger Gott!
DRYADE
So wißt ihr - ?
NAJADE
Den Namen?
DRYADE
Bacchus!
NAJADE
Ein reizender Knabe!
DRYADE
Mich höret doch an!
NAJADE
Mich höret!
DRYADE
Die Mutter starb bei der Geburt!
NAJADE
Eine Königstochter!
DRYADE
Eines Gottes Liebste! Eines Gottes Liebste!
NAJADE
Was für eines Gottes?
ECHO
Eines Gottes Liebste! Eines Gottes Liebste!
DRYADE
Aber den Kleinen - hört doch! Nymphen zogen ihn auf,
NAJADE
Nymphen zogen ihn auf!
ECHO
Nymphen zogen ihn auf! Nymphen zogen ihn auf!
NAJADE und DRYADE
Nymphen das zarte göttliche Kind!
Ach, daß nicht wir es gewesen sind.
ECHO
Ach, daß nicht wir es gewesen sind.
DRYADE
Er wächst wie die Flamme unterm Wind!
NAJADE
Ist schon kein Kind mehr - Knabe und Mann!
ECHO
Ist schon kein Kind mehr -
DRYADE
Schnell zu Schiff mit wilden Gefährten!
NAJADE
Mächtig im Wind die Segel gestellt!
DRYADE
Er am Steuer.
NAJADE und DRYADE
Kühn! der Knabe!
ECHO
Er am Steuer.
NAJADE
Heil dem ersten Abenteuer!
ECHO
Er am Steuer.
DRYADE
Das erste? Ihr wißt, was es war?
NAJADE und ECHO
Circe! Circe! An ihrer Insel
Landet das Schiff, zu ihrem Palast
Schweift der Fuß, nächtlich mit Fackeln -
DRYADE
An der Schwelle empfängt sie ihn,
An den Tisch zieht sie ihn hin,
Reicht die Speise, reicht den Trank.
ECHO
Reicht die Speise
NAJADE
Den Zaubertrank den Zauberlippen!
ECHO
Den Zaubertrank,
Allzu süße Liebesgabe!
DRYADE
Doch der Knabe, doch der Knabe!
Wie sie frech und überheblich
Ihn zu ihren Füßen winkt -
NAJADE, ECHO, DRYADE
Ihre Künste sind vergeblich,
Weil kein Tier zur Erde sinkt
DRYADE
Aus den Armen ihr entwunden,
Blaß und staunend, ohne Spott,
Nicht verwandelt, nicht gebunden
Steht vor ihr ein junger Gott!
ECHO
Nicht verwandelt, nicht gebunden
Steht vor ihr ein junger Gott!
NAJADE und DRYADE
Ariadne!
ECHO
Nicht verwandelt!
DRYADE
Schläft sie?
ECHO
Nicht gebunden -
DRYADE
Nein! Sie hört uns!
NAJADE
Ein schönes Wunder!
ECHO
Nicht verwandelt -
DRYADE
Ein schönes Wunder!
ECHO
Ein Knabe!
NAJADE
Ein Gott!
DRYADE
Gestern noch Gast der Circe,
Mit ihr liegend bei dem Mahle,
Nippend von dem Zaubertrank -
ECHO
Nicht gebunden, ein Knabe!
NAJADE
Heute ist er hier bei uns!
DRYADE
Ein Gott!
NAJADE und DRYADE
Hörst du?
Ariadne!
(Ariadne, wie von Magie hervorgezogen, tritt lauschend aus der Höhle. Die drei Nymphen, lauschend, treten zurück. Bacchus, jung, zauberhaft, träumerisch, erscheint auf einem Felsen am Meere, Ariadne und den Nymphen unsichtbar)
BACCHUS
Circe, kannst du mich hören?
Du hast mir fast nichts getan -
Doch die dir ganz gehören,
Was tust du denen an?
Circe, ich konnte fliehen.
Sieh, ich kann lächeln und ruhn.
Circe, was war dein Wille
An mir zu tun?
ARIADNE
Es greift durch alle Schmerzen,
Auflösend alte Qual: ans Herz im Herzen greift's.
NAJADE, DRYADE, ECHO
Töne, töne, süße Stimme,
Fremder Vogel, singe wieder,
Deine Klagen, sie beleben,
Uns entzücken solche Lieder!
BACCHUS
Doch da ich unverwandelt
Von dir gegangen bin,
Was haften die schwülen Gefühle
An dem benommenen Sinn?
Als wär ich von schläfernden Kräutern
Betäubt, ein Waldestier!
Circe, was du nicht durftest,
Geschieht es doch an mir?
ARIADNE
O Todesbote. Süß ist deine Stimme!
Balsam ins Blut und Schlummer in die Seele!
NAJADE, DRYADE, ECHO
Töne, töne, süße Stimme,
Süße Stimme, töne wieder!
Deine Klagen, sie beleben,
Uns entzücken deine Lieder!
BACCHUS
Circe, ich konnte fliehen!
Circe, du hast mir fast nichts getan?
Circe, ich konnte fliehen!
Sieh, ich kann lächeln und ruhen.
Circe, was war dein Wille,
An mir zu tun?
ARIADNE
Belade nicht zu üppig,
Mit nächtlichem Entzücken
Voraus den schwachen Sinn!
Die deiner lange harret,
Nimm sie dahin!
(Bacchus tritt hervor, steht vor Ariadne, die in jähem Schreck die Hände vors Gesicht schlägt)
Theseus!
(Najade, Dryade und Echo ziehen sich zurück)
Nein! nein! Es ist der schöne stille Gott!
Ich grüße dich, du Bote aller Boten!
BACCHUS
Du schönes Wesen! Bist du die Göttin dieser Insel?
Ist diese Höhle dein Palast? Sind diese deine Dienerinnen?
Singst du am Webstuhl Zauberlieder?
(schüchtern, verwirrt durch das Abenteuer mit Circe)
Nimmst du den Fremdling da hinein
Und liegst mit ihm beim Mahl,
Und tränkest du ihn da mit einem Zaubertrank?
Und ach, wer dir sich gibt, verwandelst du ihn auch?
Weh! Bist du auch solch eine Zauberin?
ARIADNE
Ich weiß nicht, was du redest.
Ist es Herr, daß du mich prüfen willst?
Mein Sinn ist wirr vom vielen Liegen ohne Trost!
Ich lebe hier und harre deiner, deiner harre ich
Seit Nächten, Tagen, seit wie vielen, ach ich weiß es nicht mehr!
BACCHUS
Wie? kennst du mich denn?
Du hast mit einem Namen mich gegrüßt.
ARIADNE
Nein, nein, der bist du nicht.
Mein Sinn ist leicht verwirrt,
BACCHUS
Wer bin ich denn?
ARIADNE
Du bist der Herr über ein dunkles Schiff,
Das fährt den dunklen Pfad.
BACCHUS
Ich bin der Herr - über ein Schiff.
ARIADNE
Nimm mich! Hinüber! Fort von hier mit diesem Herzen! Es ist zu nichts mehr nütze auf der Welt.
BACCHUS
So willst du mit mir gehen auf mein Schiff?
ARIADNE
Ich bin bereit. Du fragst? Ist es, daß du mich prüfen willst?
(Bacchus schüttelt den Kopf)
Wie schaffst du die Verwandlung? mit den Händen? Mit deinem Stab? Wie, oder ist's ein Trank, den du zu trinken gibst? Du sprachst von einem Trank!
BACCHUS
Sprach ich von einem Trank,
Ich weiß nichts mehr.
ARIADNE
Ich weiß, so ist es dort, wohin du mich führest!
Wer dort verweilt, der vergißt gar schnell!
Das Wort, der Atemzug ist gleich dahin!
Man ruht und ruht vom Ruhen wieder aus;
Denn dort ist keiner matt vom Weinen,
Er hat vergessen, was ihn schmerzen sollte:
Nichts gilt, was hier gegolten hat, ich weiß -
BACCHUS
Bin ich ein Gott, schuf mich ein Gott,
Starb meine Mutter in Flammen dahin,
Als sich in Flammen mein Vater ihr zeigte,
Versagte der Circe Zauber an mir,
Weil ich gefeit bin, Balsam und Äther
Für sterbliches Blut in den Adern mir fließt.
Hör mich, Wesen, das vor mir steht,
Hör mich, du, die sterben will:
Dann sterben eher die ewigen Sterne,
Als daß du stürbest aus meinen Armen!
ARIADNE
Das waren Zauberworte! Weh! So schnell!
Nun gibt es kein Zurück. Gibst du Vergessenheit
So zwischen Blick und Blick?
Entfernt sich alles von mir?
Die Sonne? Die Sterne?
Ich mir selber?
Sind meine Schmerzen mir auf immer, immer
Genommen? Ach!
Bleibt nichts von Ariadne als ein Hauch?
(Alles versinkt, ein Sternenhimmel spannt sich über den Zweien)
BACCHUS
Ich sage dir, nun hebt sich erst das Leben an
Für dich und mich!
(Er küßt sie)
ARIADNE
(entwindet sich ihm, unbewußt, sieht mit bangen Staunen um sich)
Lag nicht die Welt auf meiner Brust? Hast du,
Hast du sie fortgeblasen?
(zeigt auf die Höhle)
Da innen lag die arme Hündin,
An' Boden gedrückt, auf kalten Nesseln
Mit Wurm und a__el, und ärmer als sie.
BACCHUS
Nun steigt deiner Schmerzen innerste l___
In deinem und meinem Herzen auf!
ARIADNE
Du Zauberer, du! Verwandler, du!
Blickt nicht aus dem Schatten deines Mantels
Der Mutter Augen auf mich her?
Ist so dein Schattenland! also gesegnet?
So unbedürftig der irdischen Welt?
BACCHUS
Du selber! du bist unbedürftig,
Du meine Zauberin!
ARIADNE
Gibt es kein Hinüber?
Sind wir schon da?
Wie konnte es geschehen?
Sind wir schon drüben?
Auch meine Höhle, schön, gewölbt
Über ein seliges Lager,
Einen heiligen Altar!
Wie wunder-, wunderbar verwandelst du!
BACCHUS
Du! Alles du!
Ich bin ein anderer, als ich war!
Der Sinn des Gottes ist wach in mir,
Dein herrlich Wesen ganz zu fassen!
Die Glieder reg ich in göttlicher l___!
Die Höhle da! Laß mich, die Höhle deiner Schmerzen
Zieh ich zur tiefsten l___ um dich und mich!
(Ein Baldachin senkt sich von oben langsam über beide, sie einschließend)
NAJADE, DRYADE, ECHO
(unsichtbar)
Töne, töne, süße Stimme,
Fremder Vogel, singe wieder
Deine Klagen, sie beleben,
Uns entzücken solche Lieder!
ARIADNE
Was hängt von mir
In deinem Arm?
Oh, was von mir,
Die ich vergehe,
Fingest du Geheimes
Mit deines Mundes Hauch?
Was bleibt, was bleibt von Ariadne?
Laß meine Schmerzen nicht verloren sein.
(Zerbinetta tritt aus der Kulisse, weist mit dem Fächer über die Schulter auf Bacchus und Ariadne)
ZERBINETTA
Kommt der neue Gott gegangen,
Hingegeben sind wir stumm
(Verschwindet wieder)
BACCHUS
Deiner hab ich um alles bedurft!
Nun bin ich ein anderer, als ich war.
ARIADNE
Laß meine Scherzen nicht verloren sein,
Bei dir laß Ariadne sein!
BACCHUS
Durch deine Scherzen bin ich reich,
Nun reg ich die Glieder in göttlicher l___!
Und eher sterben die ewigen Sterne,
Eh denn du stürbest aus meinem Arm!
(Der Baldachin schließt sich über Ariadne und Bacchus)
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