Richard Strauss Frau ohne Schatten - Akt 1 Lyrics

ERSTER AUFZUG

Auf einem flachen Dach über den kaiserlichen Gärten.
Seitlich der Eingang in Gemächer matt erleuchtet

AMME
kauernd im Dunkel
Licht überm See -
ein fliessender Glanz -
schnell wie ein Vogel! -
Die Wipfel der Nacht
von oben erhellt -
eine Feuerhand
will fassen nach mir -
bist du es, Herr?
Siehe, ich wache
bei deinem Kinde,
nächtlich in Sorge und Pein!

BOTE
tritt aus der Finsternis hervor, geharnischt, von blauem Licht umflossen
Nicht der Gebieter,
Keikobad nicht,
aber sein Bote!
Ihrer elf
haben dich heimgesucht,
ein neuer mit jedem schwindenden Mond.
Der zwölfte Mond ist hinab:
der zwölfte Bote steht vor dir.

AMME
beklommen
Dich hab' ich nie gesehn.

BOTE
streng
Genug: ich kam
und frage dich:
wirft sie einen Schatten?
Dann wehe dir!
Weh uns allen!

AMME
triumphierend, aber gedämpft
Keinen! Bei den gewalt'gen Namen!
Keinen! Keinen!
Durch ihren Leib
wandelt das Licht,
als wäre sie gläsern.

BOTE
finster
Einsamkeit um dich,
das Kind zu schützen.
Vom schwarzen Wasser
die Insel umflossen,
Mondberge sieben
gelagert um den See -
und du liessest, du Hündin,
das Kleinod dir stehlen!

AMME
Von der Mutter her
war ihr ein Trieb
übermächtig
zu Menschen hin!
Wehe, dass der Vater
dem Kinde die Kraft gab,
sich zu verwandeln!
Konnt' ich einem Vogel
nach in die Luft?
Sollt' ich die Gazelle
mit Händen halten?

BOTE
Lass mich sie sehn!

AMME
leise
Sie ist nicht allein:
Er ist bei ihr.
Die Nacht war nicht
in zwölf Monden,
dass er ihrer nicht hätte begehrt!
Er ist ein Jäger
und ein Verliebter,
sonst ist er nichts!
Im ersten Dämmer
schleicht er von ihr,
wenn Sterne einfallen,
ist er wieder da!
Seine Nächte sind ihr Tag,
seine Tage sind ihre Nacht. -

BOTE
sehr bestimmt
Zwölf lange Monde
war sie sein!
Jetzt hat er sie noch
drei kurze Tage!
Sind die vorbei: -
sie kehrt zurück
in Vaters Arm.

AMME
mit gedämpftem Jubel
Und ich mit ihr!
O gesegneter Tag!
Doch er?

BOTE
Er wird zu Stein!

AMME
Er wird zu Stein!
Daran erkenn' ich Keikobad
und neige mich!

BOTE
verschwindend
Wahre sie du!
Drei Tage! Gedenk!

KAISER
tritt in die Tür des Gemaches
Amme! Wachst du?

AMME
Wache und liege
der Hündin gleich
auf deiner Schwelle!

KAISER
tritt hervor, schön, jung, im Jagdharnisch.
Es dämmert schwach.
Bleib und wache,
bis sie dich ruft!
Die Herrin schläft.
Ich geh' zur Jagd.
Heute streif' ich
bis an die Mondberge
und schicke meine Hunde
über das schwarze Wasser,
wo ich meine Herrin fand,
und sie hatte den Leib
einer weissen Gazelle
und warf keinen Schatten
und entzündete mir das Herz.
Wollte Gott, dass ich heute
meinen roten Falken wiederfände,
der mir damals
meine Liebste fing!
Denn als sie mir floh
und war wie der Wind
und höhnte meiner -
und zusammenbrechen
wollte mein Ross -,
da flog er
der weissen Gazelle
zwischen die Lichter -
und schlug mit den Schwingen
ihre süssen Augen!
Da stürzte sie hin
und ich auf sie
mit gezücktem Speer -
da riss sich's in Ängsten
aus dem Tierleib,
und in meinen Armen
rankte ein Weib! -
O dass ich ihn wiederfände!
Wie wollt' ich ihn ehren! -
Den roten Falken!
Denn ich habe mich versündigt gegen ihn
in der Trunkenheit der ersten Stunde:
denn als sie mein Weib geworden war,
da stieg Zorn in mir auf
gegen den Falken,
dass er es gewagt hatte,
auf ihrer Stirn zu sitzen
und zu schlagen
ihre süssen Lichter!
Und in der Wut
warf ich den Dolch
gegen den Vogel
und streifte ihn,
und sein Blut tropfte nieder. -

AMME
lauernd
Herr, wenn du anstellst
ein solches Jagen -
leicht bleibst du dann fern über Nacht?

KAISER
Kann sein, drei Tage
komm' ich nicht heim!
Hüte du mir die Herrin
und sag ihr: wenn ich jage -
es ist um sie
und aber um sie!
Und was ich erjage,
mit Falke und Hund,
und was mir fällt
von Pfeil und Speer:
es ist anstatt ihrer!
Denn meiner Seele
und meinen Augen
und meinen Händen
und meinem Herzen
ist sie die Beute
aller Beuten
ohn' Ende!

schnell ab

Morgendämmerung stärker, man hört Vogelstimmen

AMME
zu einigen Dienern, die sich allmählich um den Kaiser versammelt hatten
Fort mit euch!
Ich höre die Herrin!
ihr Blick darf euch nicht sehn!

die Diener auf und hinab, lautlos

KAISERIN
tritt aus dem Gemach
Ist mein Liebster dahin,
was weckst du mich früh?
Lass mich noch liegen!
Vielleicht träum' ich
mich zurück
in eines Vogels leichten Leib
oder einer jungen,
weissen Gazelle!
O dass ich mich nimmer verwandeln kann!
O dass ich den Talisman verlieren musste
in der Trunkenheit der ersten Stunde!
Und wäre so gern
das flüchtige Wild,
das seine Falken
schlagen - sieh! -
Da droben, sieh! -
Da hat sich einer
von seinen Falken -
sieh - verflogen!
Oh, sieh doch hin,
der rote Falke,
der einst mich
mit seinen Schwingen -
ja, er ist's!
O Tag der Freude
für meinen Liebsten
und für mich!
Unser Falke,
unser Freund!
Sei mir gegrüsst,
schöner Vogel,
kühner Jäger!
Er hat uns vergeben,
er kehrt uns zurück.
Oh, sieh hin,
er bäumt auf!
Dort auf dem Zweige -
wie er mich ansieht -
von seinem Fittich
tropft ja Blut,
aus seinen Augen
rinnen ja Tränen!
Falke! Falke!
Warum weinst du?

STIMME DES FALKEN
klagend
Wie soll ich denn nicht weinen?
Wie soll ich denn nicht weinen?
Die Frau wirft keinen Schatten,
der Kaiser muss versteinen!

KAISERIN
Dem Talisman,
den ich verlor
in der Trunkenheit der ersten Stunde,
ihm war ein Fluch
eingegraben -
gelesen einst,
vergessen, ach!
Nun kam es wieder: -

STIMME DES FALKEN
Die Frau wirft keinen Schatten,
der Kaiser muss versteinen!
Wie soll ich da nicht weinen?

AMME
dumpf wiederholend
Die Frau wirft keinen Schatten!

KAISERIN
Der Kaiser muss versteinen!
ausbrechend
Amme, um alles,
wo find' ich den Schatten?

AMME
dumpf
Er hat sich vermessen,
dass er dich mache
zu seinesgleichen -
eine Frist ward gesetzt,
dass er es vollbringe.
Deines Herzens Knoten
hat er dir nicht gelöst,
ein Ungebornes
trägst du nicht im Schoss,
Schatten wirfst du keinen.
Des zahlt er den Preis!

KAISERIN
Weh, mein Vater!
Schwer liegt deine Hand
auf deinem Kind.
Doch stärker als andre
noch bin ich!
- - - - - - - -
Amme, um alles,
du weisst die Wege,
du kennst die Künste,
nichts ist dir verborgen
und nichts zu schwer.
Schaff mir den Schatten!
Hilf deinem Kind!
Sie fällt vor ihr nieder

AMME
streng
Ein Spruch ist getan
und ein Vertrag!
es sind angerufen
gewaltige Namen,
und es ist an dir,
dass du dich fügest!
unter der Gewalt ihres Blickes, stockend
Den Schatten zu schaffen
- - - - - - - -
wüsst' ich vielleicht,
- - - - - - - -
doch dass er dir haftet,
müsstest du selber
ihn dir holen.
Und weisst du auch wo?

KAISERIN
Sei es wo immer,
zeig mir den Weg,
und geh ihn mit mir!

AMME
leise und schauerlich
Bei den Menschen!
Graust's dich nicht?
Menschendunst
ist uns
Todesluft.
Dies Haus, getürmt
den Sternen entgegen,
emporgetrieben spielende Wasser
buhlend um Reinheit
der himmlischen Reiche!
Uns riecht ihre Reinheit
nach rostigem Eisen
und gestocktem Blut
und nach alten Leichen!
Und nun von hier
noch tiefer hinab!
Dich ihnen vermischen,
hausen mit ihnen,
handeln mit ihnen,
Rede um Rede,
Atem um Atem,
erspähn ihr Belieben,
ihrer Bosheit dich schmiegen,
ihrer Dummheit dich bücken,
ihnen dienen!
Graust's dich nicht?

KAISERIN
sehr bestimmt und gross
Ich will den Schatten!
mit grossem Schwung
Ein Tag bricht an!
Führ mich zu ihnen:
ich will!

fahles Morgenlicht

AMME
Ein Tag bricht an,
ein Menschentag.
Witterst du ihn?
Schaudert's dich schon?
Das ist ihre Sonne:
der werfen sie Schatten!
Ein Verräter Wind
schleicht sich heran,
an ihren Häusern
haucht er hin,
an ihren Haaren
reisst er sie auf!

allmählich Morgenrot
- - - - - - - -
voll Hohn und Geringschätzung
Der Tag ist da,
der Menschentag -
ein wildes Getümmel,
gierig - sinnlos,
ein ewiges Trachten
ohne Freude!
wild und hasserfüllt
Tausend Gesichter,
keine Mienen -
Augen, die schauen,
ohne zu blicken -
Kielkröpfe, die gaffen,
Lurche und Spinnen -
uns sind sie zu schauen
so l___ig wie sie!
- - - - - - - -
Sie zu fassen
verstünde ich schon -
mich einzunisten -
ihnen Streiche zu spielen
im eigenen Haus -
ist mein Element!
Diebesseelen sind ihre Seelen -
so verkauf' ich
einen dem andern!
Eine Gaunerin bin ich
unter Gaunern,
Muhme nennen sie mich
und Mutter gar!
Ziehsöhne hab' ich
und Ziehtöchter viel,
hocken wie Ungeziefer auf mir!
Warte, du sollst was sehn!

KAISERIN
ohne auf die Amme zu achten
Weh, was fasst mich
grässlich an!
Zu welchem Geschick
reisst's mich hinab?

AMME
dicht an ihr
Zitterst du?
Reut dich dein Wünschen?
Heissest uns bleiben?
Lässest den Schatten dahin?

KAISERIN
Mich schaudert freilich,
aber ein Mut
ist in mir,
der heisst mich tun,
wovor mich schaudert!
Und kein Geschäfte
ausser diesem,
das wert mir schiene
besorgt zu werden!
Hinab mit uns!

Das Morgenrot flammt voll auf

AMME
Hinab denn mit uns!
Die Geleiterin hast du
dir gut gewählt,
Töchterchen, liebes,
warte nur, warte!
Um ihre Dächer
versteh' ich zu flattern,
durch den Rauchfang
weiss ich den Weg,
und ihrer Herzen
verschlungene Pfade,
Krümmen und Schlüfte,
die kenne ich gut.

Sie tauchen hinab in den Abgrund der Menschenwelt, das Orchester nimmt ihren Erdenflug auf.
Der Zwischenvorhang schliesst sich rasch.

Verwandlung

Im Hause des Färbers. Ein kahler Raum, Werkstatt und Wohnung in einem. Hinten links das Bett, hinten rechts die einzige Ein- und Ausgangstür. Vorne die Feuerstätte, alles orientalisch-dürftig. Gefärbte Tücher an Stangen zum Trocknen aufgehängt da und dort; Tröge, Eimer Zuber, an Ketten hängende Kessel, grosse Schöpflöffel, Rührstangen, Stampfmörser, Handmühlen; Büschel getrockneter Blumen und Kräuter aufgehängt, anderes dergleichen an den Mauern aufgeschichtet, Farbmassen in Pfützen auf dem Lehmboden; dunkelblaue, dunkelgelbe Flecke da und dort.

Beim Aufgehen des Vorhanges liegt der Einäugige auf dem Einarmigen, würgt ihn. Der Junge, Verwachsene sucht den Einäugigen wegzureissen. Die Färbersfrau kommt von rückwärts herzu, sucht nach einem Zuber, die Streitenden mit Wasser zu beschütten.

EINÄUGIGER
schlägt auf den unter ihm Liegenden
Dieb! Da nimm!
Unersättlicher Nehmer!

EINARMIGER
unten, röchelnd
Reiss ihn nach hinten!
Hund den! Mörder!

BUCKLIGER
Zu Hilfe, Bruder!
Sie würgen einander!

FRAU
beschüttet sie
Schamlose ihr!
Eines Hundes Geschick über euch!

Die drei Brüder, auf das Tun der Frau, auf und auseinander; fauchen, an der Erde hockend, gegen die Frau.

EINÄUGIGER
Willst du uns schmähen, Hergelaufene!
Du Tochter von Bettlern, wer bist denn du?
Unser waren dreizehn Kinder,
aber für jeden Armen, der kam,
standen die Schüsseln und dampften von Fett!

BUCKLIGER
Was hebst du die Hand gegen uns, du Schöne,
bist doch unserm Bruder mit l___ zu Willen!

EINARMIGER
Lass sie, Bruder, was ist ein Weib!

Barak, der Färber tritt eben in die Tür.

FRAU
Aus dem Haus mir mit diesen!
Du, schaff sie mir fort!
Oder es ist meines Bleibens nicht länger bei dir!

BARAK
gelassen
Hinaus mit euch!
Ist Zeug zum Schwemmen
zehn Körbe voll,
was lungert ihr hier?

Die drei Brüder gehen ab.
Barak schichtet gefärbte Tierhäute übereinander zu einem mächtigen Haufen.

FRAU
Sie aus dem Hause,
und das für immer,
oder ich.
Daran will ich erkennen,
was ich dir wert bin.

BARAK
weiter schaffend
Hier steht die Schüssel,
aus der sie sich stillen.
Wo sollten sie herbergen,
wenn nicht in Vaters Haus?
Frau schweigt böse.
Barak wie vorher ohne aufzusehen
Kinder waren sie einmal,
hatten blanke Augen, gerade Arme,
einen glatten Rücken.
Aufwachsen hab' ich sie sehn
in Vaters Haus.

FRAU
ihn höhnend
Für dreizehn Kinder
standen die Schüsseln
dampfend vor Fett -
kam noch ein Bettler,
Platz war für jeden!
Sie hält sich die Ohren zu.

BARAK
holt ein Tau, den Pack zu schnüren; hält inne, sieht sie an
Speise für dreizehn,
wenn es not tut,
schaff' ich auch
mit diesen zwei Händen!
hat sich aufgerichtet, steht dicht bei ihr
Gib du mir Kinder, dass sie mir hocken
um die Schüsseln zu Abend,
es soll mir keines hungrig aufstehn.
Und ich will preisen ihre Begierde
und danksagen im Herzen,
dass ich bestellt ward,
damit ich sie stille.
Er tritt näher rührt sie leise an.
Wann gibst du mir
die Kinder dazu?

Die Frau hat sich abgekehrt; wie er sie anrührt, schüttelt sie's.

BARAK
arglos, behaglich
Ei du, 's ist dein Mann, der vor dir steht -
soll dich der nicht anrühren dürfen?

FRAU
ohne ihn anzusehen
Mein Mann steht vor mir! Ei ja, mein Mann,
ich weiss, ei ja, ich weiss, was das heisst!
Bin bezahlt und gekauft, es zu wissen,
und gehalten im Haus
und gehegt und gefüttert,
damit ich es weiss,
und will es von heut ab nicht wissen,
verschwöre das Wort und das Ding!

BARAK
Heia! Die guten Gevatterinnen,
haben sie nicht die schönen Sprüche
gesprochen über deinen Leib,
und ich hab' siebenmal gegessen
von dem, was sie gesegnet hatten,
und wenn du seltsam bist
und anders als sonst -
ich preise die Seltsamkeit
und neige mich
zur Erde
vor der Verwandlung!
O Glück über mir
und Erwartung
und Freude im Herzen!
Er kniet nieder zur Arbeit.

FRAU
Triefäugige Weiber, die Sprüche murmeln,
haben nichts zu schaffen
mit meinem Leib,
und was du gegessen hast vor Nacht,
hat keine Gewalt über meine Seele.
leise
Dritthalb Jahr
bin ich dein Weib -
und du hast keine Frucht
gewonnen aus mir
und mich nicht gemacht
zu einer Mutter.
Gelüsten danach
hab' ich abtun müssen
von meiner Seele:
Nun ist es an dir,
abzutun Gelüste,
die dir lieb sind.

BARAK
mit ungezwungener Feierlichkeit und Frömmigkeit des Herzens
Aus einem jungen Mund
gehen harte Worte
und trotzige Reden,
aber sie sind gesegnet
mit dem Segen der Widerruflichkeit.
Ich zürne dir nicht
und bin freudigen Herzens,
und ich harre
und erwarte
die Gepriesenen,
die da kommen.

Barak hat den gewaltigen Pack zusammengeschnürt, hebt ihn auf den Herd und lädt ihn von da, indem er sich bückt und das Ende des Strickes vornüberzieht, auf seinen Rücken, beladen richtet er sich auf.

FRAU
finster vor sich
Es kommen keine
in dieses Haus,
viel eher werden welche hinausgehn
und schütteln den Staub von ihren Sohlen.
fast tonlos
Also geschehe es,
lieber heute als morgen.

BARAK
nickt ihr gutmütig zu, ohne auf ihre letzten Worte zu hören; indem er unter der gewaltigen Last schwer gehend, den Weg zur Tür nimmt, für sich
Trag' ich die Ware mir selber zu Markt,
spar' ich den Esel, der sie mir schleppt!
er geht.

Die Frau, allein, hat sich auf ein Bündel oder einen Sack gesetzt, der vorne liegt.

Ein Heranschweben, ein Dämmern, ein Aufblitzen in der Luft.
Die Amme, in einem Gewand aus schwarzen und weissen Flicken, die Kaiserin, wie eine Magd gekleidet, stehen da, ohne dass sie zur Tür hereingekommen wären.

FRAU
ist jäh auf den Füssen
Was wollt ihr hier?
Wo kommt ihr her?

AMME
nähert sich demütig, ihr den Fuss zu küssen
Ach! Schönheit ohnegleichen!
Ein blitzendes Feuer!
Oh! Oh! Meine Tochter, vor wem stehen wir?
Wer ist diese Fürstin, wo bleibt ihr Gefolge?
Wie kommt sie allein in diese Spelunke?
Sie hebt sich furchtsam aus der fussfälligen Lage.
Verstattest du die Frage, meine Herrin?

AMME
War dieser einer von deinen Bedienten
oder von deinen Botengängern,
der Grosse mit einem Pack auf dem Rücken,
solch ein Vierschrötiger, nicht mehr Junger,
mit gespaltenem Maul und niedriger Stirne?

FRAU
Du Zwinkernde, die ich nie gesehn
und weiss nicht, wo du hereingeschlüpft bist -
dich durchschaue ich so weit: Du weisst ganz wohl,
dass dieser der Färber und mein Mann ist,
und dass ich hier im Hause wohne.

AMME
springt auf die Füsse, wie in masslosem Erstaunen
O meine Tochter, starre und staune!
Die wäre das Weib des Färbers Barak?
Heran, meine Tochter, es wird dir verstattet:
betrachte dir diese Wimpern und w___en,
betrachte dir diesen Leib in der Schlankheit
des ganz jungen Palmbaums und schreie:
Wehe!

KAISERIN
Ich will den Schatten küssen, den sie wirft!

AMME
Wehe! Und das soll ihm Kinder gebären!
Und das soll einsam hier verkümmern!
O des blinden Geschicks und der Tücke des Zufalls!

FRAU
geht ängstlich vor ihr zurück
Weh, dass du gekommen bist, meiner zu höhnen!
Was redest du da und was starrst du auf mich
und willst mich zu einer Närrin machen
vor Gott und den Menschen.
sie weint

AMME
mit gespieltem Erstaunen, indem sie die Kaiserin fortzieht
Wehe, mein Kind, und fort mit uns!
Diese weist uns von sich und will nicht unsere Dienste.
Sie kennt das Geheimnis und will unser spotten, fort mit uns!

FRAU
steht jäh auf
Welches Geheimnis,
du Unsagbare du!
Bei meiner Seele und deiner,
welches Geheimnis?

AMME
neigt sich tief
Das Geheimnis des Kaufs
und das Geheimnis des Preises,
um den du dir alles erkaufst.

FRAU
Bei meiner Seele und dem Jüngsten Tag,
ich weiss von keinem Kauf, ich weiss von keinem Preis!

AMME
O meine Herrin, soll ich dir glauben,
dass du deinen Schatten,
dies schwarze Nichts
hinter dir auf der Erde,
dass dir dies Ding ohne Namen nicht feil ist -
auch nicht um unvergänglichen Reiz
und um Macht ohne Schranken
über die Männer?

FRAU
dreht sich nach ihrem Schatten um
Der gekrümmte Schatten
eines Weibes, wie ich bin!
Wer gäbe dafür
auch nur den schmählichsten Preis?

AMME
Alles, du Benedeite, alles
zahlen begierige Käufer, du Herrin,
wenn eine Unnennbare deinesgleichen
abtut ihren Schatten und gibt ihn dahin!
Ei! Die Sklavinnen und die Sklaven,
so viele ihrer du verlangest,
und die Brokate und Seidengewänder,
in denen du stündlich wechselnd prangest,
und die Maultiere und die Häuser
und die Springbrunnen und die Gärten
und deiner Liebenden nächtlich Gedränge
und dauernde Jugendherrlichkeit
für ungemessene Zeit -
dies alles ist dein,
du Herrscherin,
gibst du den Schatten dahin!

Sie greift in die aufblitzende Luft und reicht der Frau ein köstliches Haarband aus Perlen und Edelsteinen.

FRAU
Dies in mein Haar?
Du Liebe, du! -
Doch ich armes Weib,
ich hab keinen Spiegel!
Dort überm Trog
mach' ich mein Haar!

AMME
Verstattest du,
ich schmücke dich!

Sie legt ihr die Hand auf die Augen; sogleich ist sie selbst samt der Frau verschwunden. An Stelle des Färbergemaches steht ein herrlicher Pavillon da, in dessen Inneres wir blicken: es ist das Wohngemach einer Fürstin. Der Boden scheint mit einem Teppich in den schönsten Farben bedeckt, doch sind es Sklavinnen in bunten Gewändern. Sie heben sich nun von der Erde, lauschen kniend nach rückwärts, rufen mit süssen, wie ein Glockenspiel ineinanderklingenden Stimmen:

DIENERINNEN
Ach, Herrin, süsse Herrin! Aah!

Durch eine kleine Tür rückwärts, links, tritt die Frau, geführt von der Amme, in das Gemach. Sie ist fast nackt, in einen Mantel gehüllt, gleichsam aus dem Bade kommend, sie trägt das Perlenband ins Haar gewunden. Sie geht mit der Amme durch die knienden Sklavinnen quer durch, an einen grossen, ovalen Metallspiegel, der rechts vorne steht Dort setzt sie sich und sieht sich mit Staunen.

STIMME DER KAISERIN
Willst du um dies Spiegelbild
nicht den hohlen Schatten geben?

STIMME DES JÜNGLINGS
gleichsam antwortend
Gäb ich um dies Spiegelbild
doch die Seele und mein Leben!

FRAU
O Welt in der Welt! O Traum im Wachen!

Wie die Frau den Mund auftut, verbleicht alles und beginnt zu entschwinden.

DIENERINNEN
Weh! Zu früh!
Herrin! Ach Herrin!

Das Färberhaus steht wieder da, die Amme wie früher, die Kaiserin seitlich; die Färberin in ihrem ärmlichen Gewand - der Schmuck ist verschwunden - klammert sich taumelnd an die Amme.
Die Amme und die Kaiserin wechseln einen Blick.

FRAU
sehr aufgeregt
Und hätt' ich gleich
den Willen dazu -
wie tät' ich ihn ab
und gäb' ihn dahin -
den an der Erde,
ihn, meinen Schatten?
Nein, sag doch schnell!
Nein, schnell doch, schnell,
du Kluge, du Gute!
Jetzt sag es, schnell!

Die Amme sieht sich um, winkt die Kaiserin heran, gleichsam als Zeugin.
Die Frau kann ihre Ungeduld kaum bemeistern.

AMME
Hat es dich blutige Tränen gekostet,
dass du dem Breitspurigen keine Kinder geboren hast?
Und lechzt dein Herz darnach bei Tag und Nacht,
dass viele kleine Färber durch dich eingehen
sollen in diese Welt?
Soll dein Leib eine Heerstrasse werden
und deine Schlankheit ein zerstampfter Weg?
Und sollen deine Brüste welken
und ihre Herrlichkeit schnell dahin sein?

FRAU
leise
Meine Seele ist satt worden der Mutterschaft,
eh' sie davon verkostet hat.
Ich lebe hier im Haus,
und der Mann kommt mir nicht nah!
So ist es gesprochen
und geschworen
in meinem Innern.

AMME
Abzutun
Mutterschaft
auf ewige Zeiten
von deinem Leibe!
Dahinzugeben
mit der Gebärde
der Verachtung
die Lästigen,
die da nicht geboren sind!
So ist es gesprochen
und so geschworen!
Du Seltene du!
Du erhobene Fackel!
O du Herrscherin, o du Gepriesene unter den Frauen,
nun sollst du es sehn und es erleben:
angerufen werden
gewaltige Namen
und ein Bund geschlossen
und gesetzt ein Bann!
Tage drei
dienen wir dir
hier im Haus,
diese und ich,
dies ist gesetzt!
Sind die vorbei,
dem Dienst zum Lohn
von Mund zu Mund,
von Hand zu Hand
mit wissender Hand
und willigem Mund
gibst du den Schatten
uns dahin
und gehest ein
in der Freuden Beginn!
Und die Sklavinnen und die Sklaven
und die Springbrunnen und die Gärten
und Gewölbe voll Tonnen Goldes -

FRAU
unterbricht sie jäh
Still und verschwiegen:
ich höre meinen Mann, der wiederkommt!
finster
Nun wird er verlangen nach seinem Nachtmahl,
das nicht bereit ist,
und nach seinem Lager,
fast tonlos
das ich ihm nicht gewähren will.

AMME
hastig
Du bist nicht allein:
Dienerinnen hast du,
diese und mich.
Morgen zu Mittag
stehn wir dir in Dienst:
als arme Muhmen
musst du uns grüssen,
nach Mitternacht nur,
indessen du ruhest,
entlässest du uns
für kurze Frist,
das braucht niemand zu wissen!
jetzt schnell, was nottut!

Ein Windstoss durchfährt plötzlich den Raum, den die allmählich einsetzende Dämmerung in Halbdunkel getaucht hat.

AMME
befehlend
Fischlein fünf aus Fischers Zuber,
wandert ins Öl,
und Pfanne empfang' sie!
Feuer, rühr dich!
Hierher, du Bette des Färbers Barak!
Und fort mit den Gästen, von wo sie kamen!

Die Amme hat befehlend in die Hände geschlagen, lautlos.
- Die Fischlein fliegen blinkend durch die Luft herein und landen in der Pfanne, das Feuer unteren Herd flammt auf, die Hälfte des ehelichen Lagers hat sich abgetrennt, und es ist ganz im Vordergrund eine schmälere Lagerstatt für einen einzelnen erschienen, indessen hinten das Lager der Frau durch einen Vorhang verhängt erscheint - und indes dies alles geschah, sind die Amme selbst und die Kaiserin lautlos durch die Luft verschwunden. Der Feuerschein flackert durch den dämmernden Raum. Die Frau steht allein und starr vor Staunen. Plötzlich ertönen aus der Luft, als wären es die Fischlein in der Pfanne, ängstlich fünf Kinderstimmen.

KINDERSTIMMEN
Mutter, Mutter, lass uns nach Hause!
Die Tür ist verriegelt, wir finden nicht ein,
wir sind im Dunkel und in der Furcht!
Mutter, o weh!

FRAU
in höchster Angst über das Unbegreifliche, ratlos um sich blickend
Was winselt so grässlich
aus diesem Feuer?

KINDERSTIMMEN
dringender
Wir sind im Dunkel und in der Furcht!
Mutter, Mutter, lass uns ein!
Oder ruf den lieben Vater,
dass er uns die Tür auftu'!

FRAU
in grosser Angst
O fänd' ich Wasser,
dies Feuer zu schweigen!

Die Flamme unteren Herd wird zusehends schwächer.

KINDERSTIMMEN
verhauchend
Mutter, o weh! Dein hartes Herz!

Die Frau sinkt vorne auf ein Bündel, wischt sich den Angstschweiss von der Stirne.

BARAK
erscheint in der Tür mit einem vollgepackten Korb beladen; für sich, behaglich
Trag' ich die Ware mir selber zu Markt,
spar' ich den Esel, der sie mir schleppt.

Die Frau hebt sich mühsam, geht nach hinten an ihr Lager, hebt den Vorhang und sagt nichts.

BARAK
kommt nach vorne
Ein gepriesener Duft
von Fischen und Öl.
Was kommst du nicht essen?

FRAU
von rückwärts
Hier ist dein Essen.
Ich geh' zur Ruh'.
Hier ist jetzt dein Lager.

BARAK
wird's gewahr, gemässigt unwillig
Mein Bette hier? Wer hat das getan?

FRAU
von ihrer Stelle
Von morgen ab schlafen zwei Muhmen hier,
denen richt' ich das Lager zu meinen Füssen
als meinen Mägden. So ist es gesprochen,
und so geschieht es.
Sie zieht den Vorhang vor.

BARAK
indem er resigniert ein Stück Brot aus dem Gewand zieht, und, dieses essend, sich auf die Erde setzt
Sie haben mir gesagt,
dass ihre Rede seltsam sein wird
und ihr Tun befremdlich
die erste Zeit.
Aber ich trage es hart,
und das Essen will mir nicht schmecken.

STIMMEN DER WÄCHTER
Ihr Gatten in den Häusern dieser Stadt,
liebet einander mehr als euer Leben
und wisset: nicht um eures Lebens willen
ist euch die Saat des Lebens anvertraut,
sondern allein um eurer Liebe willen!

BARAK
indem er sich umwendet
Hörst du die Wächter, Kind, und ihren Ruf?

Keine Antwort

STIMMEN DER WÄCHTER
Ihr Gatten, die ihr liebend euch in Armen liegt,
ihr seid die Brücke, überm Abgrund ausgespannt,
auf der die Toten wiederum ins Leben gehn!
Geheiligt sei eurer Liebe Werk!

BARAK
horcht abermals, nach rückwärts gewendet, vergeblich; er seufzt tief auf und streckt sich zum Schlaf hin
Sei's denn!
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