Richard Strauss Frau ohne Schatten - Akt 2 Lyrics

ZWEITER AUFZUG

Des Färbers Wohnung. - Die Brüder blicken zur Tür herein, bepackt. Der Färber belädt sich, die Kaiserin, als Magd, hilft ihm dabei.

AMME
läuft an die Tür neigt sich bis zur Erde vor dem Färber
Komm bald wieder nach Haus, mein Gebieter,
denn meine Herrin verzehrt sich vor Sehnsucht,
wenn du nicht da bist!
Barak geht. Die Amme läuft zur Frau hinüber
leise
Die Luft ist rein und kostbar die Zeit!
Wie ruf' ich den, der nun herein soll?
Die Frau hat sich gesetzt und das Tuch, mit dem ihr Kopf umwunden war, gelöst, ihr Haar ist mit Perlschnüren durchflochten. Die Kaiserin kniet vor ihr, hält ihr den Spiegel.
Oh, du meine Herrin seit diesem Tage,
gib mir doch Antwort!
Wie sind deine Bräuche?
Soll diese laufen?
Oder ruf' ich ihn?
Mit einem sehnsüchtigen Ruf?
Oder einem fröhlichen?

FRAU
scharf
Auf wen geht die Rede?

AMME
leise
Auf den, der thronet in deinem Herzen,
und für den du dich schmückest!

FRAU
ruhig
Im leeren Herzen wohnet keiner,
und geschmückt hab' ich mich
für den Spiegel.

AMME
verschlagen
Hören ist Verstehen,
o meine Herrin!
So sprech' ich von dem Sehnsuchtsverzehrten,
dem deines offenen Haares Wehen -
in Träumen geahnt, doch niemals gesehen -
die Knie löst vor Furcht und Bangen:
verstatte, dass ich diesen rufe
zur Schwelle der Sehnsucht und der Erhörung!

FRAU
steht auf
Ich weiss von keinem Manne ausser ihm,
der aus dem Hause ging.

AMME
dicht an ihr
O du Augapfel meiner Träume!
Den flüchtig Begegneten, heimlich Ersehnten,
den du mit niedergeschlagenen Augen
dennoch ansahest - und warst ihm zu Willen
in deinen Gedanken - erbarme dich seiner!

FRAU
errötend, verwirrt
Wer bist denn du?
Wie nimmst du mich denn?

AMME
schnell, triumphierend
Wir bringen ihn dir,
zu dem du jetzt eben
mit süssem Erröten
dein Denken geschickt!

FRAU
Lachen muss ich
über dich!
- - - - - - - -
Wenn ich dir sage:
ich weiss kaum die Gasse,
wo ich ihn traf,
nicht das Viertel der Stadt
noch seinen Namen!

AMME
Nun schliess deine Augen
und ruf ihn dir!
Und schlägst du sie auf,
steht er vor dir!

FRAU
ihren Gedanken nachhängend
Nur, dass ich auf einer Brücke ging
unter vielen Menschen,
als einer mir entgegenkam,
ein Knabe fast,
der meiner nicht achtete -

AMME
nimmt verstohlen einen Strohwisch vom Boden
Du Besen, leih mir die Gestalt!
Und Kessel du, leih mir deine Stimme!

KAISERIN
zur Amme
Weh! Muss dies geschehen
vor meinen Augen?

AMME
leise
Zu gutem Handel
und dir zu Gewinn.
Sie gleitet zur Frau hin, birgt den Strohwisch hinterm Rücken.
Geschlossen dein Aug'
und geöffnet dein Herz,
du Liebliche, du!

Sie wirft den Strohwisch über die Frau. Es blitzt auf und nachher bleibt das Licht verändert.

KAISERIN
vor sich, flüsternd, währenddem die Frau laut denkt
Sind so die Menschen?
So feil ihr Herz?

AMME
Kielkröpfe und Molche
sind zu schauen
so l___ig als sie!

FRAU
mit geschlossenen Augen, monologisch fortlaufend
- Der meiner nicht achtete
mit hochmütigem Blick -
- - - - - - - -
und des ich gedachte
heimlich, zuweilen,
um Träumens willen!

AMME
entschieden
Es ist an der Zeit,
herbei, mein Gebieter!

Sie klatscht in die Hände. Es steht ein Jüngling da, wie entseelt.
Zwei kleine dunkle Gestalten stützen ihn, die sogleich verschwinden.

FRAU
mit offenen Augen
Er und der gleiche!
Und doch nicht!

AMME
dicht bei dem Jüngling, der allmählich sich belebt
Um ihretwillen
bist du hier,
du Vielersehnter!
läuft zur Frau hinüber
Wie ist dir
um jede Stunde,
da du diesen
nicht gekannt hast?

FRAU
Ich will hinweg
und mich verbergen!

Der Jüngling steht gesenkten Kopfes.
Die Frau hebt unwillkürlich die Hände gegen ihn.

AMME
zwischen beiden
Sei schnell, mein Gebieter!
Und kühn, du Herrin!
Unsagbar fliehend
ist solches Glück!

CHOR
aus der Luft
Sei schnell, mein Gebieter!
Und kühn, du Herrin!
Unsagbar fliehend
ist das Glück!

Die Amme läuft zur Kaiserin hin, zieht sie nach rückwärts.

KAISERIN
macht sich jäh los, horcht hinaus
Ach! Wehe! Dass sie sich treffen müssen,
der Dieb und der, dem das Haus gehört,
der mit dem Herzen und der ohne Herz!

AMME
läuft nach vorne
Voneinander!
Ihr ist gegeben,
zu hören, was fern ist,
sie meldet: der Färber
kehrt nach Hause!

Sie wirft ihren Mantel über den Jüngling, der Raum verdunkelt sich jäh, und als es wieder hell wird, ist der Knabe verschwunden. Zu der Amme Füssen liegt der Strohwisch, den sie aufnimmt und in einer Mauernische verbirgt.

Die Tür geht auf, Barak tritt ein, eine riesengrosse kupferne Schüssel auf den Armen tragend, ihm voraus der Einäugige, den Dudelsack spielend, der Bucklige, bekränzt und ein grosses Weingefäss schleppend, der Einarmige, mit noch einer kleineren Schüssel, Bettelkinder drängen sich ihnen nach zur Tür herein.

BARAK
stolz und glücklich auf die Frau zu
Was ist nun deine Rede,
du Prinzessin,
vor dieser Mahlzeit,
du Wählerische?

Die Frau kehrt ihm den Rücken.

DIE BRÜDER
haben sich rechts in eine Reihe gestellt
O Tag des Glücks, o Abend der Gnade!
Das war ein Einkauf!
Schlag ab, du Schlachter, ab vom Kalbe
und ab vom Hammel! Und her mit dem Hahn!
Du Bratenbrater, heraus mit dem Spiess!
Heran, du Bäcker, mit dem Gebackenen
und du, Verdächtiger, her mit dem Wein!
Wenn wir einkaufen, das ist ein Einkauf!
O Tag des Glücks, o Abend der Gnade!

BETTELKINDER
fallen ein
O Tag des Glücks, o Abend der Gnade!

FRAU
ohne Barak voll anzusehen
Wahrlich, es ist angelegt
aufs Zertreten des Zarten,
und es siegt das Plumpe,
und dem, der Brot will,
wird ein Stein gegeben!
Und wer von der Schüssel der Träume kostete,
zu dem treten Tiere
und halten ihm den Wegwurf hin
vom Tisch des Glücklichen,
und er hat nichts,
wohin er sich flüchte,
als in seine Tränen!
Das ist meine Rede,
du glückseliger Barak!

Die Tränen überwältigen sie, sie setzt sich abseits und verbirgt ihr Gesicht in den Händen.

BARAK
hat seine Schüssel auf die Erde gestellt, nach einer Pause der Resignation
Esset, ihr Brüder, und lasset euch wohl sein!
Ihre Zunge ist spitz, und ihr Sinn ist launisch,
aber nicht schlimm -
und ihre Reden sind gesegnet
mit dem Segen der Widerruflichkeit
um ihres reinen Herzens willen
und ihrer Jugend.
Die Brüder lagern auf der Erde und haben sich über die Schüsseln hergemacht, die Bettelkinder um sie; Barak stopft den Kindern gute Bissen in den Mund. In der Tür sammeln sich Nachbarn, alte Weiber Krüppel, noch mehr Kinder an, auch Hunde.
Barak winkt die Magd heran.
Komm her, du stillgehende Muhme,
da ist für dich!
Und geh hin zu der Frau:
ob sie nicht will vom Zuckerwerk
oder vom Eingemachten mit Zimmet.

Die Kaiserin schickt sich an, zu der Frau hinüberzugehen.

FRAU
fährt auf
Meinen Pantoffel in dein Gesicht,
du Schleichende!
Bitternis will ich tragen im Mund
und nicht sie verzuckern!
Was brauch' ich Gewürze,
der Gram verbrennt mich!
Um der grausamen Tücke willen
und des erbärmlichen Geschickes!

DIE BRÜDER
unter dem Essen durcheinander
Wer achtet ein Weib
und Geschrei eines Weibes?
Aber der Langmütige,
der bist du von je!
Und der Grossmütige
vom Mutterleib!
Und der Wohltätige!
Und der Freigebige!
Das bist du!
Oh, unser aller Vater!
O Tag des Glücks,
o Abend der Gnade!
neigen sich, halbtrunken, küssen die Erde vor Barak

BARAK
zugleich mit ihr und ihnen; fromm, mit ungesuchter Feierlichkeit
Hier ist vom Guten,
lasset euch wohl sein,
meine Brüder,
und freuet euch,
dass ihr lebt!
Es ist euch gegönnt,
und ihr seid mir
anstatt der Kinder!

BETTELKINDER
neigen sich vor Barak
Oh, du Färber unter den Färbern
und unser aller Vater!
O Tag des Glücks,
o Abend der Gnade!

Verwandlung

Das kaiserliche Falknerhaus, einsam im Walde. Mondlicht zwischen den Bäumen. Der Kaiser kommt geritten, steigt leise vom Pferde, nähert sich lautlos, bleibt hinter einem Baum verborgen, von wo er den Eingang und das eine Fenster des kleinen Hauses vor Augen hat. Die Tür ist geschlossen.

KAISER
Falke, Falke, du wiedergefundener -
wo führst du mich hin, kluger Vogel?
»Das Falknerhaus, einsam im Walde,
soll die drei Tage mir Wohnung sein -
niemand um mich als die Amme allein,
ferne den Menschen, verborgen der Welt -«
So schrieb meine Frau - sie gab's dem Boten,
künstlich ihr Haarband umflocht den Brief.
Nun führst du mich über Berg und Fluss
hierher den Weg, Seltsamer du -
Soll ich mich bergen hier im Schatten
als ihr Jäger immerdar?
Hast du darum mich hergeführt?
Schläft sie? Mich dünkt, das Haus ist leer!
Falke, mein Falke, was ist mir das?
Wo ist deine Herrin zu nächtiger Zeit?
Falke, mir ist: zur unrechten Stunde
hast du mich hierhergeführt.
er lauscht
Still, mein Falke, und horch mit mir!
Es kommt gegangen, es kommt geschwebt -
ist das die Beute, die du mir schlägst?
Stille -

Die Amme, hinter ihr die Kaiserin, kommen zwischen den Bäumen herangeschwebt und stehen zwischen den Bäumen; sie sind mit wenigen lautlosen Schritten auf der Schwelle, die Amme öffnet, sie schlüpfen ins Haus, das sich von innen erleuchtet.

KAISER
O weh, Falke, o weh!
Wo kommt sie her! Wehe, o weh!
Menschendunst hängt an ihr,
Menschenatem folgt ihr nach,
wehe, dass sie mir lügen kann -
wehe, dass sie nun sterben muss!
Er zieht einen Pfeil aus dem Köcher
Pfeil, mein Pfeil, du musst sie töten,
die meine weisse Gazelle war!
Weh! Da du sie ritztest, ward sie ein Weib! -
Du bist nicht, der sie töten darf.
Er stösst den Pfeil wieder in den Köcher, zieht das Schwert halb aus der Scheide.
Schwert, mein Schwert, du musst auf sie!
Weh, ihren Gürtel hast du gelöst -
du bist nicht, der sie töten darf!
Er stösst das Schwert wieder in die Scheide.
- Und meine nackten Hände! Weh!
Meine Hände vermögen es nicht!
Wehe, o weh!
Auf, mein Pferd, und du, Falke, voran!
Und führ mich hinweg von diesem Ort,
wohin dein tückisches Herz dich heisst,
führ mich ins öde Felsengeklüft,
wo kein Mensch und kein Tier meine Klagen hört!
Wehe, o weh!

Verwandlung

Des Färbers Wohnung. - Barak schafft. - Die Frau und die Amme tauschen ungeduldige Blicke.

FRAU
halblaut vor sich hin
Es gibt deren, die haben immer Zeit,
und ist der Markt vorbei,
so kommen sie auch noch zurecht.

BARAK
wendet den Kopf nach ihr
Schon geh' ich. Es ist heiss. Ich habe schwer geschafft
seit diesem Morgen, und nicht viel vor mich gebracht.
Gib mir zu trinken, Frau!

FRAU
ohne sich zu wenden
Sind Mägde da.

Die Amme giesst ein, tut verstohlen einen Saft in den Trunk.

BARAK
ohne hinzusehen
Gibst du mir nicht?

Die Amme gibt der Kaiserin das Gefäss. Die Frau, mit ausgestrecktem Arm, heisst sie, es dem Herrn zu bringen.
Die Kaiserin bringt es hin.

BARAK
trinkt
Mich schläfert. Es ist heiss.

FRAU
vor Ungeduld, singt höhnisch vor sich hin
Sag: ich geh' - und bleibe sitzen!
Sag: ich tu' - und lass es sein!
Bin ich doch der Herr im Haus!
Hab' es halt, so ist es mein,
Haus und Herd und Bett und Weib!

BARAK
ohne Zorn
Mich schläfert sehr. Ich muss hier liegen, Frau.
Zu Abend - dann - - trag' ich - die Ware zu Markt.
schläft auf einem Sack Kräuter ein

FRAU
höhnisch wild singend
Und sparst den Esel, der sie dir schleppt!
Sparst den Esel, der dir sie schleppt!

AMME
läuft zu ihr leise
Herrin, halt inne mit Schreien und Zürnen!
Ich hab' ihm einen Schlaftrunk eingeschüttet!

FRAU
Wer hiess dich das tun?
ängstlich
Barak! Barak!
Sie geht hinüber sieht den Schlafenden an.

AMME
zieht sie weg
Er schläft bis an den Morgen. Ihm ist wohl.
Viel schöne Stunden, Herrin, sind vor dir.

FRAU
Wer hat dich gelehrt, welche Stunde mir schön heisst?
Ich will ausgehen! Du bleib dahinten.
Ich will nicht in deinen Händen sein,
und dass du ausspähest
all mein Verborgenes,
du alte weiss und schwarz gefleckte Schlange!

AMME
Willst du den in der Ferne suchen, Herrin,
der deiner harret und deines Winkes?
Gewähre: ich breit' ihn vor deine Füsse -
und sprich es aus: er darf heran!

FRAU
spitz und scharf
Spräch' ich es aus und spräche einerlei Rede mit dir,
es wäre einerlei Rede nicht.
Der darf wohl heran, der, den ich meine -
doch eben von dir
darf nichts heran:
darum auch er nicht.
allmählich in verändertem Ton
Von ihm darf heran,
was du nie wahrnimmst:
was nie an deiner
Hand sich mir naht.
träumerisch, sehnsüchtig
Von wo der Strand
nie betreten wurde,
beträte ihn einer
von dort her,
dem wehrte keine Mauer
und kein Riegel.

AMME
schnell
Ich ruf' ihn!

Ein Dunkelwerden, ein Blitz. Die Amme führt an ihrer Hand die Erscheinung des Jünglings heran.

FRAU
Schlange, was hab' ich
mit dir zu schaffen!
und solchen,
die du bringest!

JÜNGLING
mit geisterhafter hoher Stimme
Wer tut mir das,
dass ich jäh muss stehen
vor meiner Herrin!
Der Macht ist zu viel!
Zu jäh die Gewalt!
kniet nieder verhüllt sich

FRAU
mit verstellter Härte, ohne den Jüngling eines Blickes zu würdigen
Wer heisst eine alte Vettel wissen,
was ihr zu wissen nicht getan ist?
mit gespielter Verachtung, indem sie den Jüngling mit einem koketten Blick streift
Meine Tücher her! Ich war gewillt, ins Freie
und auf dem Fluss zu fahren in der Kühle.
als wollte sie fort

AMME
zu ihr, umschlingt ihre Füsse; dringend, feurig
Peinvoll süsse Unruh'
treibt dich umher.
Gewillt bist du zu nichts,
als zu Süssem gewillt zu sein
jetzt und hier!
gleichsam ins Feuer blasend, nicht ohne kupplerisch-dämonische Grösse
Wer teilhaftig ist der Wonne,
der fürchtet auch den Tod nicht,
denn er hat gekostet von der Ewigkeit,
aber wie er dahin gelangt ist,
das ist ihm vergessen!

JÜNGLING
Bin ich dir ferne, so ist's deine Nähe,
die mich zerbricht,
bin ich vor dir, so wirst du unnahbar,
und deine Ferne ist's, die mich tötet!
Er fällt nach rückwärts wie ein Ohnmächtiger.

FRAU
wie unbewusst
Ich habe geträumt, dass ich zu dir fliege
mit unablässigen Küssen
wie eine Taube, die ihr Junges füttert -
und mein Traum hat dich getötet!
Sie beugt sich über ihn, will sanft die Hände von seinem Gesicht lösen; sein Blick trifft sie, seine Hand zuckt, die ihrig festzuhalten. Sie fährt mit einem Schrei zurück.
Die Amme will die Kaiserin mit sich ziehen, zur Türe hinaus.
jäh verwandelt
Weh mir, wohin!
Verräterinnen!
Hierher! Zu mir!
Sind die Toten lebendig,
so sind wohl die Schlafenden tot!
Wach auf, mein Mann!
Ein Mann ist im Haus!
Ich will! Wach auf! Zu mir!

Sie eilt zu Barak hin, rüttelt ihn, bespritzt ihn mit Wasser, die Kaiserin ist bei ihr, hilft ihr

AMME
wirft ihren Mantel über den Jüngling
Gott schütz' uns vor einer jungen Närrin!
Sei du getrost!
Schnell dreht sich der Wind,
und wir rufen dich wieder!

BARAK
erwacht aus der Betäubung, richtet sich auf
Was schlief ich so schwer? Wer rüttelt mich auf?

FRAU
Du sollst nicht schlafen am hellen Tag!
Sollst wahren dein Haus
vor Dieben und Räubern
und meiner achten!
Geschieht mir dergleichen
vor dir noch einmal,
so ist meines Bleibens
hier nicht länger!
Verstehst du mich?

BARAK
steht aufrecht, blickt wild um sich
Sind Räuber hier? Den Hammer dort!
Ihr Brüder her! Zum Bruder her!

FRAU
windet ihm den Hammer aus der Hand
Lass du dein Schreien und tölpisch Gehaben!
Unter der Arbeit schlägst du mir hin,
kommst mir von Sinnen, redest fremd.
Hast du die Sucht, oder schiert's dich so wenig,
mich zu erschrecken täppisch und roh!

AMME
beiseite
Wie sie ihn sich hernimmt
und sattelt und aufzäumt,
die Prächtige die!

BARAK
langsam
War dir bange um mich,
du Gute!
Bin ja wieder bei dir!

FRAU
spöttisch
Wieder bei mir! Das ist ja recht viel!
Er ist wieder bei mir! Ei, grosse Freude!
Wieder bei mir!

BARAK
sucht sein Arbeitszeug zusammen
Es widerfährt mir, was ich nicht kenne,
und ist eine Gewalt über mir im Dunkeln -
starrt vor sich hin
Mein bester Mörser ist mir zersprungen -
Versteh' ich mein Handwerk nicht mehr?

FRAU
sieht ihn starr an
Ein Handwerk verstehst du sicher nicht,
wie du's von Anfang nicht verstanden,
sonst sprächest du jetzt nicht von dir
und diesem Mörser.
Geschah dir das, was dir eben geschah,
dein Herz müsste schwellen vor Zartheit,
und es müsste dir bangen, die Hand zu heben
und deinen Fuss vor dich zu setzen,
um des Köstlichen willen,
das du zerstören könntest.
fast mit Ekel
Aber es geht ein Maulesel
am Abgrund hin,
und es ficht ihn nicht an
die Tiefe und das Geheimnis!

BARAK
halb zu der Magd, die bei ihm ist, ihm hilft, sein Handwerkszeug vom Boden aufzunehmen
Ich höre und weiss nicht, was eines redet,
und habe vergossen den Leim, da ich hinfiel -
und mir ist bange um mein Handwerk,
und dass ich nicht werde nähren können,
die meinen Händen anvertraut sind.

FRAU
Um Nahrung für mich
gräme dich nicht!
Und wenn du mich siehst
meine Tücher nehmen,
sie tut's, die beiden Mägde sind ihr behilflich
vielleicht zu fahren auf dem Flusse,
vielleicht zu wandeln neben den Gärten
oder was immer die l___ mich wird heissen -
kann sein, dann komme ich eines Abends
nicht wieder heim zu dir. -
Denn es ist nicht von heute, dass du meine Stimme hörest
und fassest sie nicht in deinem Sinn,
und ist dir ferne, die du nahe glaubst,
und wähnest, du hättest sie im Gehäuse
wie einen gefangenen Vogel,
der dein ist,
um wenig Münze
gekauft auf dem Markt:
die doch anderswo, anders daheim.

Die Frau schickt sich an, zu gehen, winkt der Amme, sie zu begleiten, der Kaiserin, zurückzubleiben. Barak sieht bestürzt und trübe vor sich hin.
Die Frau und die Amme sind zur Tür hinaus. Die Kaiserin, auf den Knien in Baraks Nähe, sucht auf der Erde verstreutes Handwerkszeug zusammen.

BARAK
wird erst jetzt gewahr dass er nicht allein ist
Wer da?

KAISERIN
sieht zu ihm auf
Ich, mein Gebieter, deine Dienerin!

Verwandlung

Der Kaiserin Schlafgemach im Falknerhaus. Die Kaiserin liegt auf dem Bett in unruhigem Schlaf. Die Amme schlummert, in ihren Mantel gewickelt, zu Füssen des Bettes.

KAISERIN
aus dem Schlaf, ohne die Augen aufzutun
Sieh - Amme - sieh
des Mannes Aug', wie es sich quält!
traumhaft, feierlich
Vor solchen Blicken liegen Cherubim
auf ihrem Angesicht!
- - - - - - - -
nach einer Stille, jäh auffahrend, mit ausgebreiteten Armen
Dir - Barak - bin ich mich schuldig!

Sie sinkt hin und scheint nun fester einzuschlafen. Die Wand des Gemaches schwindet, und man sieht in eine gewaltige Höhle, die durch einen Spalt ins Freie mündet.
Düstere Lampen, da und dort, erleuchten matt uralte, in den Basalt gehauene Grabstätten. Zur Rechten gewahrt man eine eherne Tür, ins Innere des Berges führend. Des Falken Ruf wird hörbar. Dann dringt der Kaiser, als folge er dem Falken nach, mit den Händen sich vorwärts tastend, durch den Spalt in die Höhle.

Die Kaiserin bewegt sich im Schlaf stöhnt einmal leise auf.

Der Kaiser nimmt eine der Grablampen; in seiner Hand leuchtet sie hell auf, er wird die eherne Tür gewahr. Ein Rauschen dringt durch diese wie von fallendem Wasser.

CHOR
aus dem Innern des Berges, lockend
Zum Lebenswasser!
drohend
Zur Schwelle des Todes!
lockend
Nahe!
Wage!
drohend
Wehe!
Zage!

Der Kaiser geht gegen die Tür. Der Falke umschwirrt ihn, stösst klägliche, abmahnende Rufe aus. Der Kaiser pocht an die Tür, die sich öffnet und ihn einlässt, dann wieder schliesst.

STIMME DES FALKEN
Die Frau wirft keinen Schatten,
der Kaiser muss versteinen!

Die Höhle verschwindet, die Lampen im Schlafgemach leuchten stärker auf.

KAISERIN
fährt mit einem Schrei aus dem Schlummer empor
Wehe, mein Mann!
Welchen Weg!
Wohin?
Durch meine Schuld!
Die Tür fiel zu,
als wär's ein Grab.
Er will heraus
und kann nicht mehr.
Ihm stockt der Fuss,
sein Leib erstarrt.
Die Stimme erstickt.
Sein Auge nur
schreit um Hilfe!
Weh, Amme, kannst du schlafen!
Da und dort
alles ist
meine Schuld -
Ihm keine Hilfe,
dem andern Verderben -
Barak, wehe!
Was ich berühre,
töte ich!
Weh mir!
Würde ich lieber
selber zu Stein!

Verwandlung

Des Färbers Wohnung. Es dämmert in dem Raum, wird allmählich dunkler und dunkler

BARAK
sitzt an der Erde
Es dunkelt, dass ich nicht sehe zur Arbeit
mitten am Tage.

Die drei Brüder kommen zur Tür herein mit gesenkten Köpfen. Auch draussen ist es dunkel.

DIE BRÜDER
Es ist etwas, und wir wissen nicht, was es ist,
o mein Bruder!
Die Sonne geht aus mitten am Tage,
und der Fluss bleibt stehen und will nicht mehr fliessen,
o mein Bruder!
Es widerfährt uns, und wir wissen nicht, was uns widerfährt!
Sie brechen in ein langgezogenes Geheul aus.

AMME
mit der Kaiserin seitwärts
Es sind Übermächte im Spiel,
o meine Herrin,
und ein Etwas bedroht uns,
aber wir werden
anrufen
gewaltige Namen,
und dir wird werden,
worauf du deinen Sinn gesetzt hast!

KAISERIN
für sich
Wehe, womit ist die Weit der Söhne Adams erfüllt!
Und wehe, dass ich hereinkam, ihren Gram zu vermehren
und ihre Freude zu versehren!
Gepriesen sei, der mich diesen Mann finden
liess unter den Männern,
denn er zeigt mir, was ein Mensch ist,
und um seinetwillen will ich bleiben unter den Menschen
und atmen ihren Atem
und tragen ihre Beschwerden!

BARAK
für sich
Meine Hände sind, als ob sie gebunden wären,
und mein Herz, als läge ein Stein darauf,
und auf meiner Seele ein Stück der ewigen Nacht.
Gepriesen, der die Finsternis nicht kennt
und dessen Auge niemals zufällt.
Einer unter allen!

FRAU
für sich, an der Erde seitwärts
Wie ertrag' ich dies Haus
und mache kein Ende -
wo es finster ist mitten am Tage,
und die Hunde heulen vor Furcht,
und niemand weist sie hinaus!

ist jäh aufgestanden; sie heftet einen bösen Blick auf Barak, dann geht sie auf und nieder ohne ihn anzusehen

Es gibt derer, die bleiben immer gelassen,
und geschähe, was will, es wird keiner jemals
ihr Gesicht verändert sehen.
Tagaus, tagein
gehen sie wie das Vieh
von Lager zu Frass,
von Frass zu Lager
und wissen nicht, was geschehen ist,
und nicht, wie es gemeint war.

Ein greller Blitz, die Brüder heulen auf. Die Frau stampft zornig auf.
fährt fort
Darüber müssen sie verachtet werden
und verlacht,
wer zu ihnen gehört
und ist in die Hand eines solchen gegeben.
Aber ich bin nicht in deiner Hand,
hörst du mich, Barak?
Und wenn du ausgegangen warst
und trugest dir selber die Ware zu Markt,
so habe ich meinen Freund empfangen,
einen Fremdling unter den Fremdlingen,
und wenn ich dich weckte aus deinem Schlaf,
so kam ich aus seiner Umarmung!

Blitz, die Brüder heulen auf.

Hörst du mich, Barak?
Schweige doch diese,
damit du mich verstehen kannst!
Ich will nicht, dass du ein Gelächter sein müssest
unter den Deinen,
sondern du sollst wissen!
Dies alles tat ich hier im Hause
drei Tage lang:
aber die Freude war mir vergällt,
denn ich musste dich denken,
wo ich dich hätte vergessen wollen,
und dein Gesicht kam hin,
wo es nichts zu suchen hatte!
Aber es ist mir zugekommen,
wie ich dir entgehe
und dich ausreisse aus mir,
und jetzt weiss ich den Weg!

Barak steht jäh auf, die Brüder taumeln zur Seite.
Frau ohne Furcht.

Abtu' ich von meinem Leibe die Kinder,
die nicht gebornen,
und mein Schoss wird dir nicht fruchtbar
und keinem andern,
sondern ich habe mich gegeben den Winden
und der Nachtluft
und bin hier daheim und wo anders,
und des zum Zeichen
habe ich meinen Schatten verhandelt:
und es sind die Käufer willig,
und der Kaufpreis ist herrlich
und ohnegleichen!

BARAK
in höchster Erregung
Das Weib ist irre,
zündet ein Feuer an,
damit ich ihr Gesicht sehe!

Das Feuer flammt auf.

DIE BRÜDER
Sie wirft keinen Schatten.
Es ist, wie sie redet!
Sie hat ihn verkauft
und abgehalten
die Ungeborenen
von ihrem Leibe!
Der Schatten ist abgefallen von ihr,
und sie ist ohne,
die Verfluchte!

AMME
zur Kaiserin
Auf und hin,
nimm den Schatten,
reiss ihn an dich!
Sie hat es gesprochen
mit wissendem Mund,
so ist es getan!
Und nicht der Sterne Gericht
macht diesen Handel zunicht!

BARAK
furchtbar losbrechend
Hat sie solch eine Hurenstirn
und sieht lieblich darein
und schämt sich nicht?
Heran, ihr Brüder, einen Sack herbei
und hinein von den Steinen,
dass ich dies Weib
ertränke im Fluss
mit meinen Händen!
will auf die Frau los

DIE BRÜDER
hängen sich an Barak
Kein Blut auf deine Hände, mein Bruder!
Auf und jage sie aus dem Hause,
einer Hündin Geschick über sie
in Gosse und Graben!

BARAK
will auf die Frau los; zugleich
Mein Aug' ist verdunkelt,
helft mir, ihr Brüder!
Herbei einen Sack
und Steine hinein,
dass ich sie ertränke
mit meinen Händen!

DIE BRÜDER
hängen sich an ihn; zugleich
Kein Blut auf deine Hände, mein Bruder,
halte dich rein, o unser Vater!

BARAK
zugleich
Helft ihr mir nicht,
tret' ich euch nieder!
Ich hab' es verhängt
in meiner Seele
und will es vollziehen
mit meinen Händen!

Wie er gleichsam zum Schwur die Rechte nach oben reckt, stürzt ihm aus der Luft ein blitzendes Schwert in die Hand. Die Brüder haben vereint kaum die Kraft, ihn zu halten. -

AMME
rückwärts mit der Kaiserin, ihr Auge unverwandt mit dämonischer l___ auf den Vorgang geheftet, zugleich mit Barak und den Brüdern
Wer schreit nach Blut
und hat kein Schwert,
dem wird von uns
die Hand bewehrt!
Und fliesst nur schnell
das dunkle Blut,
wir haben den Schatten,
und uns ist gut!

KAISERIN
reisst sich von ihr los, wendet den Blick nach oben, für sich, aber zugleich mit den andern
Ich will nicht den Schatten:
auf ihm ist Blut,
ich fass' ihn nicht an.
Meine Hände reck' ich
in die Luft,
rein zu bleiben
von Menschenblut!
Sternennamen
ruf' ich an
gegen mich,
diese zu retten,
geschehe, was will!

FRAU
ist in sprachlosem Schreck über die Wirkung ihrer frevelhaften Rede nach links hinübergeflüchtet, allmählich geht in ihr eine ungeheure Veränderung vor; leichenbleich, aber verklärt, mit einem Ausdruck, wie sie ihn nie zuvor gehabt hat, trägt sie sich Barak und dem tödlichen Schwertstreich entgegen; zugleich, stellenweise dominierend
Barak, ich hab' es
nicht getan!
Noch nicht getan!
Höre mich, Barak!
Verräter ward
mein Mund an mir,
zuvor die Seele
die Tat getan!
Muss ich sterben
vor deinem Angesicht,
muss ich sterben,
um was nicht geschah,
o du, den zuvor
ich niemals sah,
mächtiger Barak,
strenger Richter,
hoher Gatte -
Barak, so töte mich,
schnell!

Barak hebt das Schwert, das in seinen Händen funkelt und von dem Blitze ausgehen, die den dunklen Raum - denn das Feuer ist zusammengesunken - zuckend erleuchten.

DIE BRÜDER
hängen sich mit letzter Kraft an ihn; zugleich
Sie werden dich behängen mit Ketten
und dich erschlagen
mit der Schärfe des Schwertes,
erbarme dich unser, o unser Vater!

Indem Barak zum Streich ausholt, erlischt das funkelnde Schwert plötzlich und scheint ihm aus der Hand gewunden - ein dumpfes Dröhnen macht das Gewölbe erzittern, die Erde öffnet sich, und durch die geborstene Seitenmauer tritt der Fluss herein. Indes die Brüder, ihr Leben zu retten, zur Tür hinausflüchten, sieht man Barak und die willenlos vor ihm liegende Frau, aber jedes für sich, versinken.
Die Amme hat die Kaiserin mit sich auf einen erhöhten Platz an der Mauer des Gewölbes emporgerissen und deckt sie mit ihrem Mantel. Man hört aus dem Dunkel, das alles verhüllt, ihre Stimme.

AMME
Übermächte sind im Spiel!
Herzu mir!
--------------------------------------------------------------------------------

See also:

81
81.42
Tammy Wynette Come on Home Lyrics
Body Count The Winner Lose Lyrics