Richard Strauss Frau ohne Schatten - Akt 3 Lyrics
DRITTER AUFZUG
Unterirdische Gewölbe, durch eine querlaufende d___e Mauer in zwei Kammern geteilt. In der rechten wird Barak sichtbar in düsterem Brüten auf dem harten Stein sitzend, zur Linken die Frau, in Tränen, mit aufgelöstem Haar. Sie wissen nicht voneinander, hören einander nicht. Die Frau zuckt zusammen.
Im Orchester ertönen die Stimmen der ungeborenen Kinder wie im ersten Aufzug.
FRAU
Schweiget doch, ihr Stimmen!
Ich hab' es nicht getan!
- - - - - - - -
Barak, mein Mann,
oh, dass du mich hörtest,
dass du mir glaubtest
vor meinem Tode!
- - - - - - - -
Dich wollt' ich verlassen,
o du, den zuvor
niemals ich sah!
Dich wollt' ich vergessen
und meinte zu fliehen dein Angesicht:
dein Angesicht,
es kam zu mir -
O dass du mich hörtest,
o dass du mir glaubtest. -
Dich wollt' ich vergessen -
da musste ich dich denken:
und wo ich ging
verbotene Wege,
dein Angesicht...
es kam zu mir
und suchte mich
zuvor die Seele die Tat getan!
Ein fremder Mann,
ich zog ihn her,
er war mir nah -
aber nicht völlig -
Barak, Barak,
dich weckt' ich doch,
weisst du es nicht?
BARAK
für sich
Mir anvertraut,
dass ich sie hege,
dass ich sie trage
auf diesen Händen
und ihrer achte
und ihrer schone
um ihres jungen Herzens willen!
FRAU
teilweise zusammen mit ihm
Dienend, liebend dir mich bücken:
dich zu sehen!
atmen, leben!
Kinder, Guter, dir zu geben! -
BARAK
Mir anvertraut -
und taumelt zur Erde
in Todesangst vor meiner Hand!
Weh mir! Dass ich sie einmal noch sähe
und zu ihr spräche:
Fürchte dich nicht.
Stille.
EINE STIMME
von oben, auf Baraks Seite
Auf, geh nach oben, Mann, der Weg ist frei!
Es fällt zugleich mit der Stimme ein Lichtstrahl von oben in Baraks Verlies; die Stufen einer Wendeltreppe, in den Fels gehauen, werden sichtbar.
Barak richtet sich auf und beginnt hinaufzusteigen.
FRAU
Barak, mein Mann!
Strenger Richter,
hoher Gatte!
Schwängest du auch
dein Schwert über mir,
in seinem Blitzen
sterbend noch
sähe ich dich!
Ein Lichtstrahl fällt von oben in ihr Verlies, der Schein in Baraks leerer Kammer ist erloschen.
EINE STIMME
auf der Linken
Frau, geh nach oben,
denn der Weg ist frei.
Die Frau eilt nach oben.
Verwandlung
Das Gewölbe versinkt. Wolken treten vor, teilen sich, enthüllen eine Felsterrasse, jener gleich, die während des Schlafes der Kaiserin sichtbar wurde. Steinerne Stufen führen vom Wasser aufwärts zu einem mächtigen tempelartigen Eingang ins Berginnere. Ein dunkles Wasser, in den Felsgrund eingeschnitten, fliessend gegenüber.
Die Tür zum mittleren Eingang offen. Auf der obersten Stufe der Bote, wartend. Dienende Geister rechts und links.
Ein Kahn kommt auf dem Wasser geschwommen, ohne Lenker. Die Kaiserin liegt darin, schlummernd, die Amme kniet neben ihr hält sie umschlungen, bewegt um sich schauend, wohin der Kahn treibe.
Der Bote hat das Herankommen des Kahnes abgewartet. Der Kahn hält an.
DIENENDE GEISTER
Sie kommen!
BOTE
Hinweg!
Er tritt ins Innere zurück, die Geister zugleich, die eherne Tür schliesst sich hinter ihnen.
Die Kaiserin erwacht.
Die Amme sucht sie zurückzuhalten, mit dem freien Arm den Kahn vom Ufer wegzustossen, vergeblich.
Die Gegend erhellt sich.
Die Kaiserin erhebt sich, blickt um sich, will ans Land.
AMME
drückt sie nieder hastig, aufgeregt
Fort von hier!
Hilf mir vom Fels
lösen den Kahn!
leise
Übermächte
spielen mit uns!
Zum greulichsten Ort
eigenwillig
strebt das Gemächte
aus bösem Holz!
Wär' ich nicht gewitzigt,
was würde aus dir!
KAISERIN
Der Kahn will bleiben -
siehst du denn nicht?
Die Treppe, schau!
AMME
gibt's auf den Kahn vom Ufer zu stossen, treibend, mit fieberhafter Ungeduld
So lass den Kahn!
Nun fort
von hier!
Ich weiss den Weg,
Mondberge sieben
sind gelagert,
dies ist der höchste:
ein böser Bereich!
Geschürzt dein Kleid
und hurtig die Füsse:
ich führ' dich hinunter,
ich finde hinaus!
KAISERIN
ist auf die Treppe hinausgetreten
Hier ist ein Tor!
sinnend, suchend
Einmal vordem
sah ich dies Tor!
Posaunenruf wie aus dem Innern des Berges
Hörst du den Ton?
Der läd't zu Gericht!
leise, etwas beklommen
Mein Vater, ja?
Keikobad? Sag?
Lang sah ich ihn nicht,
doch weiss ich wohl:
er liebt es zu thronen
wie Salomo
und aufzulösen,
was dunkel ist.
Hoch ist sein Stuhl
und abgründig sein Sinn -
rein und mutig
doch, ich bin sein Kind:
ich fürchte mich nicht.
Amme ängstlich, späht nach der Seite, ob sich ein Ausweg finden liesse.
Die Posaune ruft abermals, stärker.
KAISERIN
die Hände erhoben, angstvoll
Mein Herr und Geliebter!
Sie halten Gericht
über ihn
um meinetwillen!
Was ihn bindet,
bindet mich.
Was er leidet, will ich leiden,
ich bin in ihm,
er ist in mir!
Wir sind eins.
Ich will zu ihm.
wendet sich, hinaufzuschreiten
AMME
angstvoll
Fort mit uns!
Ich schaff' dir den Schatten!
So ist es gesetzt
und so beschworen!
Du bleibst die gleiche,
Töchterchen, liebes,
und durch deinen Leib
gleitet das Licht -
allein des Weibes
trauriger Schatten,
dir verfallen,
haftet der Ferse!
Ihresgleichen
scheinst du dann
und bist es nicht:
doch du erfüllst,
was bedungen war!
schmeichelnd
So hab' deinen Liebsten
und herze ihn!
Ich helf' dir ihn finden,
ich will es tragen,
dass ich ihn sehe
in deinen Armen
auf Jahr und Tag
und bleibe die Hündin
in seinem Hause!
resigniert seufzend, nicht heftig
Wehe mir!
sehr stark
Nur fort von hier!
Fort von der Schwelle,
sie zu betreten,
ist mehr als Tod!
KAISERIN
So kennst du die Schwelle?
So weisst du, wohin
dies Tor sich öffnet?
Antworte mir!
AMME
dumpf
Zum Wasser des Lebens.
KAISERIN
Antworte mir!
plötzlich erleuchtet
Zur Schwelle des Todes!
So scholl der Ruf.
Steh mir Rede!
Du weisst das Geheime
und kennst die Bewandtnis.
Antworte mir!
Die Amme schweigt.
KAISERIN
Schweigst du tückisch?
Willst du mit Fleiss
den Sinn mir verdunkeln?
Hell ist in mir!
Hell ist vor mir!
leidenschaftlich
Ich muss zu ihm!
Wasser des Lebens,
ich muss es erspüren,
ihn besprengen -
Wasser des Lebens -
ist es das Blut
aus diesen Adern?
Fliesse es hin,
dass ich ihn wecke!
Sie wendet sich entschieden dem Eingang zu.
AMME
wirft sich vor sie hin, fasst sie am Gewand
Hab' Erbarmen!
Du verfängst dich:
tausend Netze,
Gaukelspiel,
greulicher Trug!
Wasser des Lebens,
greuliches Blendwerk -
müsst' ich darüber
mein Blut hingeben -,
halte ich ab
von deiner Seele
und deinem Herzen!
Ein Wasser springt
wirklich im Berge.
Leuchtend steigt es,
goldene Säule,
aus dem Grund:
Wasser des Lebens!
Wer daran
die Lippen legte -
einer der unsern,
von Geistern stammend -
mehr als Tod,
greulich unsagbar
teuflisches Unheil
schlürft er in sich
rettungslos.
Die Kaiserin ist auf die oberste Stufe getreten.
AMME
in höchster Angst
Hörst du mich nicht?
Fürchterlich
ist Keikobad!
Was weisst du von ihm!
Du bist sein Kind
und hast dich gegeben
in Menschenhand
und dein Herz vergeudet
an einen von den Verwesenden!
Fürchterlich
straft er dich,
wenn du fällst in seine Hand.
Denn er kennt kein Greuel
über diesem,
dass eines spiele
mit den Verhassten
und sich mische
mit den Verfluchten!
Weh über sie,
die dich gebar,
und Menschensehnsucht
dir flösste ins Blut!
Weh über dich!
KAISERIN
verklärt, entschlossen
Aus unsern Taten
steigt ein Gericht!
Aus unserm Herzen
ruft die Posaune,
die uns lädt. -
entschieden, die Hand gegen sie ausstreckend, gebietend
Amme, auf immer
scheid' ich mich von dir.
Was Menschen bedürfen,
du weisst es zu wenig,
worauf ihrer Herzen
Geheimnis zielet,
dir ist es verborgen.
sehr feierlich und gross
Mit welchem Preis
sie alles zahlen,
aus schwerer Schuld
sich wieder erneuern,
dem Phönix gleich,
aus ewigem Tode
zu ewigem Leben
sich immer erhöhen -
kaum ahnen sie's selber -
dir kommt es nicht nah.
Ich gehöre zu ihnen,
mächtig
du taugst nicht zu mir!
Sie tritt ans Tor das sich lautlos öffnet, sie tritt hinein, das Tor schliesst sich.
AMME
will ihr nach, wagt sich nicht in den Bereich, verzweifelnd auf der Treppe
Was Menschen bedürfen?
Betrug ist die Speise,
nach der sie gieren.
Betrüger sie selber!
Fluch über sie!
Das ewige Trachten,
Vorwärts ins Leere,
der angstvermischte
gierige Wahnsinn -
hinübergeträufelt
in meines Kindes
kristallene Seele!
Fluch über sie!
Es dunkelt, rötlicher Nebel tritt herein.
DIE STIMME BARAKS
im Wind
Ah!
DIE STIMME DER FRAU
von der anderen Seite
Ah!
DIE STIMME BARAKS
Dass ich dich fände!
DIE STIMME DER FRAU
klagend
O mein Geliebter!
DIE STIMME BARAKS
Fürchte nichts!
Sieh, o sieh!
DIE STIMME DER FRAU
zugleich
Finde mich,
töte mich!
BEIDE
Weh, weh, o weh!
AMME
Menschen! Menschen!
Wie ich sie hasse!
Wimmelnd wie Aale,
schreiend wie Adler,
schindend die Erde!
Tod über sie!
BARAK
im Nebel herein, von rechts
Ich suche meine Frau, die vor mir flieht.
erkennt die Amme, angstvoll, gepresst, fast stöhnend
Hast du sie nicht gesehn -
O meine Muhme?
AMME
zeigt nach links aufwärts
Dort hinüber!
Dort hinauf!
Sie verflucht dich
in den Tod!
Strafe sie -
räche dich -
schnell!
BARAK
ab nach links aufwärts
Zu ihr! Zu ihr!
FRAU
erscheint von links weiter unten
O du - o du - wo ist mein Mann? O du -
ich will zu ihm!
AMME
zeigt nach rechts
Dort hinüber!
Dich zu töten
mit seinen Händen.
Rette dich,
flieh!
FRAU
eilt nach rechts in den Wind und Nebel, wild entschlossen
Barak! Hier!
Schwinge dein Schwert.
Töte mich
schnell!
verschwindet rechts; es dunkelt
AMME
Wehe, mein Kind,
ausgeliefert,
Gaukelspiel
vor ihren Augen,
Fallen und Stricke
vor ihrem Fuss!
Sie ist hinein!
Sie trinkt! Das goldne,
flüssige Unheil
springt auf die Lippen,
wühlt sich hinab!
Ihr Gesicht
greulich zuckt,
ein menschlicher Schrei
ringt sich aus
der wunden Kehle!
Ihr zu Hilfe!
Müsste ich sterben!
Keikobad!
Sie will ans Tor
BOTE
tritt aus dem Tor, ehern
Den Namen des Herrn?
Hündin, zu wem
hebst du die Stimme?
Fort mit dir
von der Schwelle!
Pack dich, für immer!
AMME
wie wahnsinnig vor Erregung
Mir anvertraut -
du selber, Bote!
Drei Tage lang!
Ich hab' sie gehütet,
ich rang mit ihr -
sie stiess mich von sich -
sie kennt mich nicht mehr -
Keikobad!
Er muss mich hören!
will an ihm vorbei
BOTE
vertritt ihr den Weg; ehern
Sie ist vor ihm!
Wer bedarf deiner?
Niemand.
Such dir den Weg!
AMME
Keikobad!
Deine Dienerin
schreit zu dir -
Strafe sie, aber
verwirf sie nicht
ungehört!
Mir übergeben,
ich steh' dir Rede!
Keikobad!
Der Nebel tritt herein, wird immer dichter Gewitter und Sturm nehmen zu an Heftigkeit. Es dunkelt mehr und mehr. Im Sturm tönen die Stimmen der Färbersleute, die einander vergeblich rufen und suchen. Zugleich.
BOTE
gewaltig, mit einem Anflug von Hohn
Wer bist du,
dass du ihn rufest?
Was weisst du
von seinem Willen
und wie er verhängt
hat ihr die Prüfung?
Wenn er dich hiess
des Kindes hüten,
wer heisst dich raten,
ob er nicht wollte,
dass sie dir entliefe?
immer schrecklicher
Und trotzdem dich
verwirft auf ewig:
dass du nicht vermochtest,
ihrer zu hüten!
BARAK
unsichtbar
O du!
FRAU
unsichtbar
O du!
BARAK
Wo bist du?
FRAU
Wo bist du?
BARAK
Fliehe nicht!
FRAU
Finde mich!
BARAK
Komm zu mir!
FRAU
Komm zu mir!
BARAK
Dich zu sehen - atmen, leben!
FRAU
Kinder, Guter, dir zu geben!
BARAK
Weh, verloren!
FRAU
Weh, vertan!
BARAK
Diese Hände -!
FRAU
Weh, so jung!
BARAK
Dir vergeben, dich erquicken!
FRAU
Liebend, dienend dir mich bücken!
BARAK
Weh, verloren!
FRAU
Hab' Erbarmen!
BARAK
Sterben! Sterben!
FRAU
Weh, uns Armen!
BARAK
Mir anvertraut,
dass ich dich hege
und dich trage
auf diesen Händen.
AMME
Schlage er mich
mit seinem Zorn!
Ich will zu ihr!
BOTE
Mit seinem Zorn
schlägt er dich,
dass du ihr Antlitz
nicht wiedersiehst!
AMME
Weh, mein Kind!
Mir verloren!
Fluch und Verderben
über die Menschen -
fressendes Feuer
in ihr Gebein!
BOTE
mit Hohn
Unter den Menschen
umherzuirren,
ist dein Los!
Die du hassest,
mit ihnen zu hausen,
ihrem Atem
dich zu vermischen
immer aufs neu'!
AMME
wie von Sinnen
Die ich hasse,
mit ihnen zu hausen,
ihrem Atem
mich zu vermischen
immer aufs neu'!
Sie drängt sich dicht an den Boten, will an ihm vorbei.
BOTE
fasst sie gewaltig und stösst sie die Treppe hinab
Auf, du Kahn,
trage dies Weib
Mondberge hinab
den Menschen zu!
AMME
Fressendes Feuer
in ihr Gebein!
Die Amme stürzt im Kahn zusammen, der Kahn löst sich und treibt jäh hinab. Ihr Schrei, durchdringend, verhallt.
BOTE
ehern
Verzehre dich!
Dir widerfährt
nach dem Gesetz!
Blitz, Donner, Posaune
DIE STIMMEN DER FÄRBERSLEUTE
Sterben, sterben!
Weh uns Armen!
Verwandlung
Offene Verwandlung. Allmählich erhellt sich, aber noch nicht zu völliger Klarheit, das Innere eines tempelartigen Raumes. - Eine Nische, die mittelste, ist verhängt. Die Kaiserin, allein, steigt von unten empor. Dienende Geister, fackeltragend, ihr entgegen, noch im Dunkel.
ERSTER GEIST
Hab' Ehrfurcht!
ZWEITER GEIST
Mut!
DRITTER GEIST
Erfülle dein Geschick!
sie verschwinden
MENSCHENSTIMMEN
tönen von draussen herein, doch schwächer und schwächer, als wären Türen zugefallen
Weh, verloren!
Hab' Erbarmen! -
Sterben! Sterben!
Weh uns Armen!
KAISERIN
geht auf die verhängte Nische zu
Vater, bist du's?
Drohest du mir
aus dem Dunkel her?
Hier siehe dein Kind!
Mich hinzugeben,
hab' ich gelernt,
aber Schatten
hab' ich keinen
mir erhandelt.
Nun zeig mir den Platz,
der mir gebührt
inmitten derer,
die Schatten werfen.
Ein Springquell goldenen Wassers steigt leuchtend aus dem Boden auf.
KAISERIN
einen Schritt zurückgehend
Goldenen Trank,
Wasser des Lebens,
mich zu stärken,
bedarf ich nicht!
Liebe ist in mir,
die ist mehr.
EINE STIMME
von oben
So trink, du Liebende, von diesem Wasser!
Trink, und der Schatten, der des Weibes war,
wird deiner sein, und du wirst sein wie sie.
KAISERIN
Jedoch was wird aus ihr?
DIE STIMME DER FRAU
Barak!
DIE STIMME BARAKS
Wo bist du?
DIE STIMME DER FRAU
Wehe, wo?
DIE STIMME BARAKS
Herzu mir!
DIE STIMME DER FRAU
Ach, vergebens!
DIE STIMME BARAKS
Weh! Verloren!
KAISERIN
Baraks Stimme!
Baraks Blick!
Meine Schuld
hier wie dort,
dort wie hier!
Das Wasser fällt langsam.
schaudernd
Sternennamen
rief ich an,
rein zu bleiben
von Menschenschuld!
Blut ist in dem Wasser,
ich trinke nicht!
Das Wasser versinkt gänzlich.
Doch weich' ich nicht!
Mein Platz ist hier in dieser Welt.
Hier ward ich schuldig,
hierher gehör' ich.
Wo immer du
dich birgst im Dunkel -
in meinem Herzen
ist ein Licht,
dich zu enthüllen!
Ich will mein Gericht!
Zeige dich, Vater!
Mein Richter, hervor!
Das Licht hinter dem Vorhang wird stärker und stärker, endlich ist seine Kraft so gross, dass der Vorhang zum durchsichtigen Schleier wird. In der strahlend erhellen Nische sitzt auf steinernem Thron der Kaiser. Er ist starr und steinern, nur seine Augen scheinen zu leben.
KAISERIN
gesprochen
Ach! Weh mir!
Mein Liebster starr!
Lebendig begraben
im eigenen Leib!
Erfüllt der Fluch!
Meines Wesens
unschuldige Schuld
an ihm gestraft,
weil er zu sehr
mein Geheimnis geliebt,
um das er mich wählte -
erbarmungslos,
dahingeopfert,
meinem Geheimnis
sein liebendes Herz!
Ungelöst
meiner Seele Knoten
von Menschenhand -
Starr nun die Hand,
die ihn nicht löste -
Versteinert sein Herz
von meiner Härte!
Mein Geschick
seine Schuld!
Meine Schuld
sein Geschick!
Weh, ihr Sterne,
also tut ihr
an den Menschen!
Sie nähert sich in Verzweiflung dem Versteinerten.
Mit dir sterben,
auf, wach auf!
Aug' in Aug',
Mund an Mund
mit dir vereint,
lass mich sterben!
Sie will hervor, den Versteinerten zu umschlingen, und wagt es nicht. Wie sie in Angst vor dem auf sie gerichteten Blick nach der Seite zurückgeht, folgen ihr die Augen des Kaisers nach.
in höchster Qual
Nicht diesen Blick!
Ich kann nicht helfen,
ich kann nicht!
Sie fällt zusammen, bedeckt die Augen mit den Händen.
Die Statue glüht im stärksten Licht, die Augen mit stummer Bitte auf die Kaiserin gerichtet.
UNIRDISCHE STIMMEN
dumpfdröhnend wie aus Abgründen
Die Frau wirft keinen Schatten,
der Kaiser muss versteinen!
Die Statue verdunkelt sich wie Blei. Vor ihren Füssen hebt sich wie früher das goldene Wasser leuchtend empor.
EINE STIMME
von oben
Sprich aus: Ich will! Und jenes Weibes
Schatten wird dein!
Und dieser stehet auf und wird lebendig
und geht mit dir!
Und des zum Zeichen neige dich und trink!
KAISERIN
in furchtbarem Kampfe auf dem Boden liegend, gesprochen
Versuch mich nicht,
Keikobad!
Ich bin dein Kind!
Lass mich sterben,
eh' ich erliege!
DIE STIMME BARAKS
Nirgend Hilfe!
DIE STIMME DER FRAU
Wehe, sterben!
Die KAISERIN
erhebt sich auf die Knie, ihren Lippen entringt sich ein qualvoller, stöhnender Schrei, in dessen Intervallen die Worte -
Ich - will - nicht! -
hörbar sind. - Sogleich, wie diese Worte hörbar werden, sinkt das Wasser hinab, der Raum, nach einer kurzen Dunkelheit, erhellt sich von oben. - Von der Kaiserin, die sich wie unbewusst vom Boden erhoben hat, fällt ein scharfer Schatten quer über den Boden des Raumes. - Der Kaiser erhebt sich von seinem Thron und schickt sich an, die Stufen hinabzusteigen.
KAISER
»Wenn das Herz aus Kristall
zerbricht in einem Schrei,
die Ungebornen eilen
wie Sternenglanz herbei.
Die Gattin blickt zum Gatten,
ihr fällt ein irdischer Schatten
von Hüfte, Haupt und Haar.
Der Tote darf sich heben
aus eignen Leibes Gruft -
die Himmelsboten eilen
hernieder aus der Luft!«
So ward mir zugesungen,
da ich im Sterben war.
Nun darf ich wieder leben!
Schon kommt die heil'ge Schar
mit Singen und mit Schweben -
Das Licht von der Kuppel herab ist stärker und stärker geworden. Nun dringen, von oben her die Stimmen der Ungeborenen hernieder.
STIMMEN DER UNGEBORENEN
(EINZELNE)
Hört, wir wollen sagen: Vater!
(ANDERE)
Hört, wir wollen Mutter rufen!
(EINIGE)
Steiget auf!
(ANDERE)
Nein, kommt herunter!
Zu uns führen alle Stufen!
KAISERIN
deutet nach oben
Sind das die Cherubim,
die ihre Stimmen heben?
KAISER
von der untersten Stufe
Das sind die Nichtgeborenen,
nun stürzen sie ins Leben
mit morgenroten Flügeln
zu uns, den fast Verlorenen;
uns eilen diese Starken
wie Sternenglanz herbei.
Du hast dich überwunden.
Nun geben Himmelsboten
den Vater und die Kinder:
die Ungebornen frei!
Sie haben uns gefunden,
nun eilen sie herbei!
Er ist von der untersten Stufe herabgestiegen. Die Kaiserin will ihm entgegen, deutet nach oben, von wo ein immer hellerer Schein herabdringt, ein silbernes Klingen dem Gesang der Ungeborenen präludiert, sie sinkt in die Knie. Der Kaiser, der Kaiserin gegenüber fällt gleichfalls auf die Knie. Die Ungeborenen fangen an zu singen. Die Kaiserin und der Kaiser bergen jedes ihr Gesicht in den Händen.
DIE STIMMEN DER UNGEBORENEN
von oben
Hört, wir gebieten euch:
ringet und traget,
dass unser Lebenstag
herrlich uns taget!
Was ihr an Prüfungen
standhaft durchleidet,
uns ist's zu strahlenden
Kronen geschmeidet!
Der Kaiser und die Kaiserin haben sich, mit Entzücken aufwärtsblickend, erhoben.
KAISERIN
indem ihre und des Kaisers Hände sich berühren
Engel sind's, die von sich sagen!
Ihre Stärke will uns tragen!
Ungeboren, preisgegeben,
ohne Anker, ohne Ziel!
Wie sie rufend uns umschweben,
bin ich, bin ich dir gegeben!
KAISER
Nirgend Ruhe, still zu liegen,
nirgend Anker, nirgend Port,
nichts ist da - nur aufzufliegen
ist ein Ort an jedem Ort,
wie sie rufend uns umschweben
bist du, bist du mir gegeben!
Sie halten einander umschlungen. Helles Gewölk umschliesst sie.
Verwandlung
Eine schöne Landschaft, steil aufsteigend, hebt sich heraus. Inmitten ein goldener Wasserfall, durch eine Kluft abstürzend. Kaiser und Kaiserin werden über dem Wasserfall sichtbar von der Höhe herabsteigend.
FRAU
von links auf schmalem Fusspfad
Trifft mich sein Lieben nicht,
treffe mich das Gericht,
er mit dem Schwerte!
eilt vor bis an den Abgrund
BARAK
auf der gegenüberliegenden Seite
Steh nur, ich finde dich.
Schützend umwinde dich,
ewig Gefährte!
Indem sie ihn gewahr wird, ihm die Arme entgegenstreckt, fällt ihr Schatten quer über den Abgrund.
BARAK
jubelt
Schatten, dein Schatten,
er trägt mich zu dir!
FRAU
Gattin zum Gatten!
Einziger mir!
DIE STIMMEN DER UNGEBORENEN
Mutter, dein Schatten!
Sieh, wie schön!
Sieh deinen Gatten
zu dir gehn!
Im Augenblick fällt an Stelle des Schattens eine goldene Brücke quer über dem Abgrund.
Barak und die Frau betreten die Brücke, liegen einander in den Armen.
Der Kaiser und die Kaiserin sind oben dicht an den Rand des Absturzes herausgetreten. Sie wenden sich nach abwärts, die beiden anderen blicken zu ihnen empor.
BARAK
Nun will ich jubeln, wie keiner gejubelt,
nun will ich schaffen, wie keiner geschafft,
denn durch mich hin strecken sich Hände,
blitzende Augen, kindische Münder,
und ich zerschwelle
vor heiliger Kraft!
KAISER
weist hinunter auf die beiden, weiter hinunter auf die Menschenwelt
Nur aus der Ferne
war es verworren bang,
hör es nun ganz genau,
menschlich ist dieser Klang!
Rührende Laute -
nimmst du sie ganz in dich,
Brüder, Vertraute!
CHOR
unsichtbar, hineinjauchzend
Brüder! Vertraute!
KAISERIN und FRAU
Schatten zu werfen,
beide erwählt,
beide in prüfenden
Flammen gestählt.
Schwelle des Todes nah,
gemordet zu morden,
seligen Kindern
Mütter geworden!
Schleier vorfallend, die Gestalten und die Landschaft einhüllend
DIE STIMMEN DER UNGEBORENEN
im Orchester
Vater, dir drohet nichts,
siehe, es schwindet schon,
Mutter, das Ängstliche,
das euch beirrte.
Wäre denn je ein Fest,
wären nicht insgeheim
wir die Geladenen,
wir auch die Wirte!
--------------------------------------------------------------------------------
See also:
JustSomeLyrics
81
81.42
Rotersand Electronic World Transmission (Reconstructed by SITD) Lyrics
El Indio Solari La muerte y yo Lyrics